Wer lügt, gewinnt
beweglichen Endoskop meine Speiseröhre entlang, Magen und Zwölffingerdarm, ließ die Organe auf dem Bildschirm sichtbar werden. Ich war beeindruckt von meinem Innenleben. Selbst mit dem Schlauch im Mund versuchte ich ihm zuzulächeln, so als könnte diese Anstrengung meinerseits eine tragische Diagnose verhindern. Ich hatte meinen Bruder an Leukämie sterben sehen, ich wußte sehr genau, wie das war. Chemotherapie und weiß der Teufel was. Haarausfall, dieser Athlet, dieser Schwimmer, den ich so sehr bewundert hatte, nach sechs Monaten glich er einem riesenhaften Fötus in seinem Krankenhausbett.
Wir kehrten in das Zimmer zurück, in dem wir vorher gewesen waren, Dr. Ricardo schaute auf meine Karteikarte, die Brille in der Hand. Er fragte mich erneut, ob ich in den letzten zwei Tagen Fisch gegessen hätte. Haben Sie im Rachen kein Kratzen verspürt? fragte er. Abends schon, sagte ich. Abends, sagte er und schaute noch mal auf meine Karte, Sie haben abends Suppe gegessen. Palmherzencreme, sagte ich. Er wollte weitere Untersuchungen von mir haben, Blut, Stuhl, Urin, und gab mir einen Termin für drei Tage später.
Ich tat alles, was er mir aufgetragen hatte, und Fúlvia war großartiger denn je. Ohne daß ich sie darum gebeten hätte, verzichtete sie darauf, zur Fazenda hinauszufahren, sie stand mir in allem zur Seite, sprach mit einer befreundeten Laborpraxis, sie war fabelhaft. Ingrid wurde fuchsteufelswild. Das macht sie nur, um mich zu ärgern, sagte sie. Jede Frau weiß das. Schlimmer als eine unausstehliche, nervende, fette Exfrau ist wirklich nur eine Exfrau, die kumpelhaft, verständnisvoll und hübsch ist. Das ist ihre Rache, sagte Ingrid. Du hast mir den Ehemann weggenommen? Gut, dann mußt du eben meine Freundlichkeit aushalten. Du mußt ertragen, daß er sagt, ich sei eine fabelhafte Frau. Eine Gefährtin. Sie tut das aus Boshaftigkeit, diese Lucrezia. Ingrid konnte nicht verstehen, weshalb ich noch nicht ausgezogen war, warum ich mit Fúlvia gemeinsam die Einstellung von Ronalds Ermittlungsverfahren abwarten mußte. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? fragte sie. Betrügst du mich? Hast du Sex mit dieser Frau? Ist es das? Willst du dich versöhnen? Sag schon.
Es waren schwierige Tage. Zum vereinbarten Termin ging ich wieder zu Dr. Ricardo. Er analysierte die Untersuchungsergebnisse, Blut, Urin, alles normal. Die endoskopische Untersuchung zeigte eine Unterbrechung in der Speiseröhre, einen kleinen Schnitt, ohne Blutung. Ich hatte weder Geschwüre noch eine Gastritis. Wahrscheinlich hatte ich einen Fremdkörper verschluckt, eine Gräte, einen kleinen Knochensplitter, der die Verletzung verursacht hatte und der schon wieder ausgeschieden worden war. In einem oder zwei Tagen würde das vergehen. Was das Unwohlsein und die Übelkeit anbetraf, so deutete alles darauf hin, daß es sich um Streß handelte. Warum nehmen Sie sich nicht ein paar Tage frei?
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Von: Laércio An: Ingrid
Blonder Engel, hier ist der endgültige Text von Klausel eins. Teil mir bitte mit, ob es für Euch so in Ordnung ist.
Änderung des Gesellschaftsvertrages – Universalis-Verlag
Klausel eins – Punkt eins – Als Gesellschafter wird in den Universalis-Verlag José Guber aufgenommen, Brasilianer, verheiratet, Schriftsteller, Personalausweis-Nummer RG 14654652 und Steuernummer CPF 235765438-53, wohnhaft und ansässig in der Rua Monte Claro Nummer 3, welcher erklärt, daß er sich keines der im Gesetz vorgesehenen Vergehen strafbar gemacht hat, die ihn an einer Ausübung seiner Tätigkeit hindern würden. Punkt zwei – Angesichts der erfolgten Änderung wird Klausel zwei des Gesellschaftsvertrages künftig folgenden Wortlaut haben:
Gesellschafter Anteile
Laércio Ferreira 80%
José Guber 20%
Ingrid hatte in einem Hotel in Malibu Zimmer reservieren lassen. Die Szene beim Abschied von Fúlvia brach mir das Herz. Sie im Fernsehzimmer, im Nachthemd, traurig, nachdem sie mir mit der größten Bereitwilligkeit meinen Koffer gepackt hatte. Darf ich dir einen Kuß geben? fragte sie, bevor ich ging. Sie trank eine Limonade, ich spürte die Berührung ihrer kalten Lippen auf meiner Wange. Zärtlich ordnete sie mir das Haar, sagte, ich könne ganz beruhigt sein, sie würde auf alles im Haus aufpassen.
Ich war schnell wiederhergestellt. Ingrids Sinnlichkeit nahm immer neue Dimensionen an, wir verließen kaum unser
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