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Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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verzeihe Dir, daß Du Deine Mutter verlassen hast, weil ich Jesus in meinem Herzen trage. In seinem Namen schreibe ich Dir, ich habe eine Botschaft für Dich. Kommet. Gott will zu Euch sprechen. Ich liebe Dich. Ich liebe die Lahmen. Die Verkrüppelten. Die Blinden. Die Stotterer. Die Armen, so wie Jesus in der Bibel. Schnell vergeht das Leben, schnell vergehen auch wir. Groß ist unser Gott, der auf seinem Thron bis ans Ende aller Ewigkeit leben wird. Mein Sohn, strauchele nicht. Ich habe grauenvolle Albträume. Ich sehe Dich, wie Du von den Schlangen der Hölle verschlungen wirst. Deine Mutter, Dienerin Gottes. Rosário.
     
    In der Woche nach meiner Rückkehr aus Malibu stellten sich meine Magenschmerzen und die Übelkeit wieder ein. Fúlvia, die schon dabei war, ihren Umzug auf die Fazenda vorzubereiten, verschob ihre Pläne, um sich um mich zu kümmern, und gab als Grund dafür an, sie könne mich nicht in diesem Zustand allein lassen.
    Ich ließ meine Bauchhöhle und den Dickdarm untersuchen, unterzog mich einer Tomographie, einer Magnetresonanzuntersuchung, einer Ultraschalluntersuchung des Abdomens und einer Untersuchung des Nahrungstransports. Die Ärzte kamen zu keiner Diagnose für mein Problem. Sie vermuteten eine äußerst seltene Krankheit, die durch den Kot kalifornischer Tauben hervorgerufen wird.
    Bei einem meiner Besuche in der Klinik begegnete ich im Wartezimmer einem blassen kleinen Mädchen, das neben einer Frau saß, die vermutlich seine Mutter war. Das kleine Mädchen hatte die Augen geschlossen, den Kopf gegen die Wand gelehnt, und die Frau sagte, du schaffst das schon, ich bin ja bei dir, die Tränen rannen dem Kind übers Gesicht. Ich verließ die Arztpraxis, begab mich auf die Rua Raposo Tavares und fuhr direkt zum Recanto da Paz. Ich fand meine Mutter in ihrem weißen Nachthemd im Park des Krankenhauses, wo sie sich um eines der Blumenbeete kümmerte. Sie war viel dicker als das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte. Sie umarmte mich freudig, war begeistert, wir hatten uns seit acht Monaten nicht mehr gesehen, und sie stellte mir keine einzige Frage, keine Forderung, sie sagte nur, daß es strenggenommen nicht sie sei, die mir Gottes Botschaft überbracht hätte. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete, mein Brief, sagte sie, hast du meinen letzten Brief nicht bekommen? Ich erinnerte mich vage. Meine Mutter erzählte mir von Manoel, einem großen Freund von Jesus. Sie stieß einen Pfiff aus, und Sekunden später gesellte sich ein beleibter, kahlköpfiger Mann zu uns, der sagte, Jesus habe eine Botschaft für mich geschickt, und die Botschaft laute wie folgt: schwarze Früchte. Was das zu bedeuten habe, wollte ich wissen. Jesus spreche in Gleichnissen, erklärte Manoel, er kenne die Bedeutung nicht, ich müsse sie alleine herausfinden. Meine Mutter erzählte, daß Manoel auch anderen Leuten Botschaften überbracht hätte, er sei ein Bote Gottes, und ich müsse versuchen, diese Worte zu verstehen. Das ist eine Warnung, sagte sie.
    Das Recanto da Paz war ein friedlicher Ort, mit einem imposanten Hauptgebäude, einem riesigen Park, mehreren Apartments, Swimmingpool, Sauna und all dem sonstigen Komfort eines Fünf-Sterne-Hotels. Meine Mutter fühlte sich ganz wie zu Hause, sie kannte alle Schwestern und wurde freundlich behandelt. Manoel wich ihr nicht von der Seite, und manchmal, fiel mir auf, hielten sie sich bei den Händen. Ich verbrachte den Nachmittag mit ihr, bekam eine Badehose geliehen, schwamm zusammen mit meiner Mutter, versuchte, ihr das Tauchen beizubringen. Als ich am Abend heimkam, fühlte ich mich etwas besser. Ich berichtete Ingrid am Telefon davon, wir lachten über die Geschichte mit den schwarzen Früchten. Genieß es mit deiner Mutter, sagte sie, ich vermisse meine bis heute.
    Ich besuchte meine Mutter von nun an häufiger. Anfangs lauschte ich den Geschichten, die sie und Manoel erzählten, ohne großes Interesse. Dann fing ich an, aufmerksamer zuzuhören und mir Notizen zu machen. Das gab mir Frieden. Außerdem lieferten sie mir gutes Material für mein Buch.
    Du glaubst doch nicht etwa an diesen Unsinn von deiner Mutter, oder? fragte Ingrid. Diese Bücher, die wir schreiben, sagte sie, ich habe Gott geschaut, Gott hat mir gesagt, ich liebe dich, sind eine Sache, die schwarzen Früchte sind etwas völlig anderes, das heißt nämlich, an diesen ganzen Kram zu glauben. Ich bemühte mich nach Leibeskräften, nicht daran zu glauben. Aber es ist schwer, nicht an Gott zu

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