Wer lügt, gewinnt
neunhundert Leute von einer dieser Sekten gestorben sind, nachdem sie Blausäure geschluckt hatten. Ich hatte gedacht, wir halten diese Besprechung ab, um über Ihr nächstes Buch zu reden, sagte Laércio in einem Ton, der mich reizte. Lassen Sie uns mit diesen Leuten sprechen, sagte ich. Lassen Sie uns Bücher für sie schreiben. Wir bringen ihnen bei, wie man betet. Ich will in einer konstruktiven Art und Weise über Gott schreiben, sagte ich. Ich möchte für eine friedliche und gesunde Beziehung zu Gott eintreten. Und ich will meinen Namen benutzen. Mit dem Pseudonym ist es genug.
Laércio schaute mich gequält an, es dauerte, bis er antwortete. Einen Erfolg wie João Aroeira läßt man nicht sausen, sagte er. João Aroeira ist kein Name mehr, sondern eine Marke. Glauben Sie, daß von den Büchern eine Million fünfhunderttausend Exemplare verkauft worden wären, wenn der Name José Guber darauf gestanden hätte? Guber ist ein deutscher Name. Er ist gut für Bier. Ich habe Verständnis für Ihren Standpunkt, João Aroeira ist in aller Munde, und José Guber ist ein Anonymus, ein Niemand. Es ist nicht leicht, gelobt zu werden und stillzuschweigen. Man möchte am liebsten losschreien, ich weiß. Wir hätten auf dem Umschlag nicht das Foto von Moisés bringen sollen, das war übrigens Ihre Idee, doch jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Aber ich will Ihnen mal was sagen, für Sie ist das eine Entlastung, der Erfolg ist was Beschissenes. Ich bin Verleger, ich kenne die menschliche Seele. Sie haben all den Komfort und leben in Frieden. Ihre Nachbarn behelligen Sie nicht mit Autogrammwünschen. Wissen Sie, was es heißt, nicht in die Apotheke gehen zu können, um Präservative zu kaufen, ohne erkannt zu werden? Es gibt verschiedene Gründe dafür, Ihre Meinung zu ändern, sagte ich. Einer davon ist, daß die evangelischen Verlage uneingeschränkt expandieren. Selbsthilfeliteratur verkauft sich am besten, sagte er, ich kenne den Markt. Ein weiterer Grund, sagte ich, bin ich selbst. Ich möchte über Gott schreiben. Ich werde das mit Ihnen zusammen machen, wenn Sie wollen. Natürlich rede ich nicht nur von guten Vorschüssen und auch nicht von läppischen zehn Prozent vom Verkaufspreis. Ich rede davon, daß ich Aktien vom Universalis-Verlag erhalte, ich rede davon, Teilhaber zu werden. Aber kann sein, daß Sie das nicht wollen, ich habe so was gehört, und in dem Fall packe ich die Sache selbst an und mache mein Buch alleine. Ich gründe einen Verlag und fertig. Aber ich möchte nicht wie ein Absahner aussehen. Sie haben die Wahl, sagte ich.
Der Schlag war hart für Laércio. Er stotterte, drehte und wand sich, hustete, und als er aus meinem Büro hinausging, war er völlig durcheinander, ich konnte es sehen.
Gleich darauf kam Ingrid in mein Arbeitszimmer. Der Wolfshund machte ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, sagte sie, wie war euer Gespräch? Es gab kein Gespräch, antwortete ich, ich habe meinen Kram bei ihm abgeladen, er hat mich mit einem Gesicht wie ein Idiot angeguckt, er wollte drüber nachdenken.
Nachdenken worüber? Hat er nicht kapiert? Hast du’s ihm nicht gesagt? Wir wechseln den Verlag. Wir können an die katholischen Christen verkaufen, an die Pfingstler, an die Protestanten.
Ich setzte mich aufs Sofa, ich brauchte Wasser. Ingrid öffnete eine Flasche Mineralwasser, goß mir ein, setzte sich neben mich. Du bist ganz grün, sagte sie. Ist es wieder der Magen?
Sie nahm das Telefonbuch zur Hand, suchte nach einer Nummer. Sie wählte, du gehst gleich heute noch zum Arzt, sagte sie. Ich will nichts hören. Ich bin noch zu jung, um Witwe zu werden.
32
Dr. Ricardo, Facharzt für Gastroenterologie, stellte mir viele Fragen, bevor er mich untersuchte, unter anderem, ob es in meiner Familie irgendeinen Fall von Krebs gäbe. Während ich redete, machte er sich Notizen, tödliche Blutkrankheit in der Familie, Schlaflosigkeit, Unwohlsein, Kopfschmerzen, Übelkeit. Er wollte wissen, wie meine Ernährung aussah. Ich lieferte ihm einen mehr oder weniger detaillierten Bericht und erklärte ihm, daß meine Frau sich persönlich um meine Ernährung kümmerte, seit die Übelkeit angefangen hatte, und daß sie Öl und schwerverdauliche Nahrungsmittel vermied.
Ich wurde in einen kleinen Nebenraum mit Eucatex-Wänden voller Monitore geführt. Während der vierzig Minuten, die die Untersuchung dauerte, hielt meine Übelkeit an, ich war sehr angespannt, in meinem Kopf hämmerte es. Dr. Ricardo fuhr mit dem
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