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Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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Kaninchen in den Rachen von Klapperschlangen stopft, dann nicht aus Zufall, sagte Ingrid.
    Mit ihrer Liste hatte Ingrid mich ein wenig beunruhigt, aber ich glaubte nicht daran. Zwischen Fúlvia und mir bestand eine starke Bindung, davon wußte Ingrid nichts. Wir hatten einen Menschen umgebracht, das verband uns. Danach hatten wir uns immer mehr auf einander fixiert, wir hatten uns abgekapselt, eine lange Zeit über bestand das Leben nur aus Fúlvia und mir und aus sonst nichts, wir kümmerten uns nur um einander. Sie gab mir Ruhe, animierte mich zum Schreiben, und ich tat das gleiche mit ihr. Einen Menschen umgebracht zu haben, hatte in unserem Leben den gleichen Stellenwert wie der Tod der Mutter für zwei kleine Geschwister. Was wir beide in jener Zeit durchgemacht hatten, verband uns zutiefst, das wußte Ingrid nicht, und das durfte sie auch nicht erfahren. Und der Gedanke an die Trennung machte Fúlvia zu schaffen. Sie litt, das war mir klar. Sie liebte mich, und ich wollte sie nicht verletzen.
     
    Später im Bett versprach ich Ingrid, daß ich nicht mehr zu Hause essen würde, aber ich sagte mein Versprechen nur so dahin. Ich glaubte nicht daran, daß Fúlvia dabei sein könnte, mich zu vergiften.

36
    Lieber Sohn, Dein Brief hat uns sehr gefallen. Ich und Manoel können es kaum abwarten, Dich wiederzusehen. Wir haben Neuigkeiten von Jesus. Ich weiß gar nicht, wie ich Dir diese Nachricht beibringen soll, unser Leben wird sich verändern. Ich möchte Ingrid, Deine Freundin, kennenlernen. Sag ihr, daß wir das Kürbiskompott, den Käse und die Turnschuhe bekommen haben, wir haben uns sehr gefreut. Manoel hat auch das Hemd aus Acapulco gefallen, aber er hätte es lieber gehabt, wenn ein Spruch von Jesus darauf gestanden hätte. Kaufst Du ihm ein Hemd, auf dem Ich bin ein Freund von Jesus steht? Manoel findet, daß wir immer über unsere Liebe zu Jesus sprechen sollten. Das ist auch meine Meinung. Ich und Manoel stimmen in allem überein. Wußtest Du, daß er genauso gerne mein Lieblingsgemüse Jiló ißt wie ich? Ich kenne keinen anderen Menschen, der gerne Jiló ißt. Dein Vater mochte Jiló. Und nun Jesajas: »Aber sie verspotteten die Boten Gottes und verachteten seine Worte und verhöhnten seine Propheten, bis der Grimm des Herrn über sein Volk wuchs und es kein Vergeben mehr gab.«
     
    An dem Tag, an dem ich mein Buch bei Laércio ablieferte, fühlte ich mich beim Aufwachen besonders schlecht. Ich ging in die Küche; am Herd begegnete ich einer Frau, einer gewissen Mercedes, die dabei war, Essen vorzukochen, um es einzufrieren. Sie stellte sich vor und erklärte, daß sie Köchin bei Dona Fúlvia »in den Zeiten von Seu Ronald, dem armen Seu Ronald, Gott hab ihn selig« gewesen sei. Sie sagte, Fúlvia sei wegen meiner Gesundheit besorgt und habe sie gebeten, einige Gerichte vorzukochen, um sie einzufrieren. Fúlvia hatte Mercedes eingeschärft, daß sie wegen meines Problems nur gefiltertes Wasser verwenden sollte. Ich bat sie um einen Tee und legte mich in den Garten.
    Im Haus herrschte ein einziges Tohuwabohu, überall Kisten von Fúlvia, sie wollte Ende der Woche auf die Fazenda ziehen.
    Blauer Himmel, ein angenehmer Tag, aber ich hielt es in der Sonne nicht aus. Die Übelkeit wuchs, ich mußte in mein Zimmer gehen, verbrachte den Vormittag im Bett. Nachmittags kam Mercedes in mein Schlafzimmer und stellte eine dampfende Kanne auf meinen Nachttisch, darin ein dunkle, übelriechende Flüssigkeit. Sie sagte, daß sie diesen Aufguß immer für Dr. Ronald zubereitet hatte. Er war magenkrank wie Sie, sagte sie. Mir war neu, daß Ronald magenkrank gewesen sein sollte wie ich. Wirklich? fragte ich. Der Ärmste mußte sich ständig übergeben, sagte sie, Dr. Cisne wäre seinetwegen fast wahnsinnig geworden. Sie konnten nicht herausfinden, was für eine Krankheit er hatte.
    Ich spürte einen Kälteschauer, der am untersten Ende meiner Wirbelsäule einsetzte und auf meiner Zungenspitze zum Stillstand kam. Schwarze Früchte. Sie versucht wahrscheinlich, mich zu vergiften, sagte ich.
    Mercedes lachte über meinen Witz. Sie lachte vermut lich, weil ich sie gut bezahlte. Im Grunde fand sie meine Bemerkung nicht im geringsten komisch.
     
    In Fúlvias Schlafzimmer standen überall verstreut stapelweise Kisten. Ich brauchte nicht lange, um einen alten, ledergebundenen Kalender zu finden, einer von denen mit austauschbaren Innenblättern. Ich schaute direkt unter dem Buchstaben C nach. Da stand er, Dr. Cisne,

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