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Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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Hitler nicht gegeben hätte. Immer brauchte er jemanden, der über ihm war. Entweder um über die da oben zu schimpfen oder aufzuschauen, je nachdem, wie es ihm gerade passte natürlich. Jemanden, der ihm einerseits zeigte, wo es langgeht und dem er andererseits die Schuld für alles hat geben können. Zum Erzherzog Johann zum Beispiel schaute er auf, weil zu ihm schon der Vater, der Großvater und der Urgroßvater aufgeschaut haben. Und natürlich deshalb, weil der Erzherzog Johann der Erfinder des vom Leitenbauer so geliebten Steireranzugs war, dem Identifikationssymbol des Leitenbauer mit seiner steirischen Heimat schlechthin, wie der immer gesagt hat. Zu dessen Gedenken stimmte er den berühmten Erzherzog-Johann-Jodler an, den er, wie man sagen muss, hervorragend und aus dem Effeff quasi beherrschte. »Wenn er den Erzherzog-Johann-Jodler angestimmt hat, ist er einem wie ein lieber, sympathischer Mensch vorgekommen, sag ich. Im Zeitraum des Erzherzog-Johann-Jodler-Singens habe ich den Leitenbauer sogar gemocht. Sobald die Melodie aufhörte, ist er wieder zum grauslichen Leitenbauer geworden. Zum Ungustl, als der er allgemein bekannt war. Eine schöne Melodie kann dir wirklich die Wahrnehmung verwischen, Kreisky. Weil der Mensch ein Gefühlstier ist. Weil er sich leicht verführen lässt durch so angenehme Klänge. Sind diese Klänge dann vorbei, bist du überrascht über die Täuschung, auf die du hereingefallen bist. Die Musik ist nicht zu unterschätzen, Kreisky, sag ich zu ihm, wirklich wahr.« Die mutmaßlich verbotenen Nazilieder hat der Leitenbauer auch gerne angestimmt und dann gleich zur Beschwichtigung gesagt: Nicht alles ist schlecht gewesen damals, viel Gutes ist getan worden. Einen Hitler wird es nicht mehr geben, leider Gottes, hat er gesagt, und, um das Thema abzuschließen und sich ganz auf den steirischen Schweinsbraten der Leitenbauerin konzentrieren zu können, auf den Boden gerotzt.
    Wenn es Schweinsbraten oder irgendetwas vom Schwein zu essen gab, war der Leitenbauer glücklich. Mmhh, ein gutes Braterl!, mmhh, ein saftiges Stelzerl!, mmhh, ein herrlicher Sauschädel!, hat er jedes Mal begeistert ausgerufen. Das Schwein war ihm von allen Nutztieren das liebste und von diesem der Sauschädel der begehrteste Teil. Darum gab es den Sauschädelschmaus bei den Leitenbauerischen sehr oft zu essen. So oft, dass der Leitenbauer besser Sauschädelschmausbauer geheißen hätte, wie sich der Norbert oft gedacht hat, dem aufgrund der Häufigkeit des Sauschädelschmausessens, nämlich einmal im Monat, schon gegraust hat davor. Der sich aber nichts sagen getraut hat, weil er nicht undankbar sein wollte und er wusste, wie der Leitenbauer auf Undankbarkeit reagierte und er nicht wie die Leitenbauerkinder mit dem Rindsledertrachtengürtel zusammengeschlagen werden wollte. Wenn er schon nicht den Sauschädelschmaus verweigern konnte, dann wollte er sich wenigstens dem Wort verweigern, weil schon allein das Wort ekelhaft war. Wollte es sich quasi zerdenken, durch hundertfaches Wiederholen unsinnig machen, so wie es die Gewohnheit der Kinder ist, die gerade Lesen und Schreiben lernen. Die die gesprochenen und gehörten Worte bis zum Zeitpunkt ihrer Einschulung nur vom Hören und Sprechen her kennen. Sie sich der Bedeutung dieser Worte bewusst sind und plötzlich diese Bedeutung in ein Wort gefasst hinschreiben müssen in ein Schulheft. Die in Worte gefassten Bedeutungen in diesem Schulheft, in einer schönen Schrift, mithilfe eines Linienspiegels in eine schöne Form zu bringen haben. In eine schöne Form und eine schöne Schrift, die die Lehrer festlegen. Die Lehrer legen fest, was eine schöne Form und eine schöne Schrift zu sein hat. Plötzlich werden alle Bedeutungen der Kinder, die ihr bisheriges Leben in ihren Köpfen waren und die sie von ihren Eltern und Geschwistern ganz natürlich und automatisch gelernt haben, unnatürlich und diktiert in dieses Schulheft gezwungen. Den Kindern kommt das Hinschreiben sinnvoller Bedeutungen in für sie absolut sinnlose Buchstaben, Wörter und Sätze durch und durch lächerlich vor. Diese hingeschriebenen Worte lesen sich die Kinder dann laut vor. Lesen hintereinander das gleiche Wort immer wieder, bis plötzlich nicht nur das Wort, sondern auch die Bedeutung des Wortes völlig absurd geworden ist, total sinnlos. Die Bedeutung des Wortes praktisch aufgelöst wurde im Kindergehirn, für die Dauer der ständigen Wiederholung natürlich nur, sonst hätte ja nie ein Kind

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