Wer Mit Schuld Beladen Ist
Kopf einziehen musste, als sie hindurchschlüpfte, und trat in Wärme und Gerüche: der moschusartige Geruch von Heu und Klee, der Duft nach gepflügter Erde und von Tierdung, der ätzende Methangestank von Urin. Nachdem sie vier Stufen hinuntergestiegen war, konnte sie bequem aufrecht stehen, obgleich ein großer Mann noch Spinnweben in den Haaren gehabt hätte.
»Aaron?«, rief sie. Sie stand in einem schmalen Durchgang, an dessen Wänden Ackergeräte hingen, die mühelos als mittelalterliche Folterinstrumente durchgegangen wären, und auf dessen Boden sich fest verschlossene, verzinkte Dosen aneinanderreihten. Sie ging weiter und fand sich in der Mitte eines Ganges wieder, der sich von einem Ende der Scheune zum anderen erstreckte und zwei lange Reihen Boxen trennte, aus denen strubblige rote Rinder sie betrachteten. Auf halber Strecke zwischen ihr und der Mauer stand eine niedrige Karre, halb gefüllt mit einem stinkenden Haufen Stroh und Mist.
»Aaron?«
»Hier hinten«, rief er und trat aus einer der Boxen in der Nähe der Karre. Er führte ein Rind, das Clare, als sie näher kam, von der ungefähren Form und Größe eines Kampfpanzers zu sein schien. Er kettete das Rind an einen Ring und hob eine Mistgabel, die zitternd im Mist gesteckt hatte.
Clare umrundete den Behemoth und spähte über die Kante der Box. »Deine Schwester hat gesagt, du möchtest mit mir reden.«
»Ja.« Mit raschen, effizienten Bewegungen begann er das verdreckte Stroh aus der Boxentür zu schaufeln, wobei er vor Anstrengung ächzte.
Clare schaute sich um, während sie darauf wartete, dass er fortfuhr. Die Balken und Pfosten verrieten ihr Alter, doch wie alle Scheunen, die sie bisher im North Country gesehen hatte, war auch diese peinlich sauber. Farmer mochten ihre Kinder vernachlässigen, ihre Ehegatten, sich selbst, doch niemals vernachlässigten sie ihre Kühe. Ihr Blick fiel auf die dunklen, feuchten Augen des Stallbewohners, und das Rind muhte sie an. Rotbraune Flecken sprenkelten seine rosa Nüstern. Es war so niedlich, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass irgendjemand es in Hamburger und Rippchen verwandelte.
»Er ist ein Gelbvieh«, erklärte Aaron direkt an ihrem Ohr. Sie zuckte zusammen. »Entschuldigung«, sagte er. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
»Nein, nein«, erwiderte sie. »Ich hatte nicht bemerkt, dass du fertig bist. Wer ist ein Gelbvieh?«
»Prinz.« Das Rind stieß Clares Hand an, als hätte es seinen Namen erkannt. Sein Maul war weich und kühl und schnaubfeucht. »Das ist eine deutsche Rasse, die für das Aroma ihres Fleischs bekannt ist. Sie haben genau die richtige Mischung aus Fett und Muskeln.« Er griff nach oben, nach einer großen Schlaufe, die von einer Falltür baumelte, und zog sie mit einem Schritt in den Mittelgang auf. Stroh stürzte in die Box. Clare konnte nicht beurteilen, wann es genug war, doch Aaron offensichtlich schon, da er die Tür wieder einschnappen ließ und seine Forke aufnahm. Er hatte Routine. Die Streu wurde ohne jede überflüssige Bewegung über den Boden verteilt.
»Ich habe deiner Mutter erzählt, dass ich darüber nachdenke, eine Rinderhälfte zu bestellen«, sagte Clare.
Er kam aus der Box und kettete das Tier ab, das sich widerstandslos wieder von ihm in die Box führen ließ. »Prinz hier wäre so weit, nicht wahr, mein Großer? Wir könnten ihn heute Abend schlachten und ein paar Tage hängen lassen, dann hätten Sie ihn fix und fertig nächsten Dienstag.« Clare produzierte ein Geräusch. Aaron trat aus der Box und verriegelte sie. »Falls Sie wollen, dass es ausblutet und ein bisschen abhängt. So schmeckt es am besten, wissen Sie.«
Das Rind hatte den Weg zur Raufe gefunden und kaute kontemplativ auf seinem Heu. »Ich weiß nicht«, erwiderte Clare. »Wenn man ihnen erst mal in die Augen geschaut hat, kann man sie sich nur mit Mühe als Schmorbraten vorstellen.«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Das ist Fleisch. Es ist einfach nur so verpackt, dass es selbständig trinkt und frisst. Wirklich, es ist nichts anderes als eine Wassermelone.«
»Eine Wassermelone hat keine rosa Schnauze.«
Er sah sie durchtrieben und ein wenig herausfordernd an. »Wollen Sie sehen, wo wir es tun?«
Er wartete eindeutig darauf, dass sie erschrocken zurückzuckte und ablehnte. »Okay«, sagte sie.
Er führte sie den Weg zurück, den sie gekommen war, an dem schmalen Eingang und den Stufen vorbei, an weiteren Reihen gelassener Kühe, bis sie am Ende der Scheune zu
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