Wer Mit Schuld Beladen Ist
einer Tür auf Schienen kamen. Sie war gezwungenermaßen niedrig, aber breit genug, um sie beide und auch noch Prinz nebeneinander hindurchzulassen. Clare hatte fast erwartet, IHR, DIE IHR HIER EINTRETET, LASST ALLE HOFFNUNG FAHREN in den Türrahmen geschnitzt zu sehen, doch stattdessen hing dort eine Zulassung der Gesundheitsbehörde des Staates New York, die bestätigte, dass die Räumlichkeiten die Inspektion bestanden hatten und die Betreiber berechtigt waren, Fleisch für den menschlichen Verzehr zu produzieren, und so weiter, und so weiter.
Aaron zog die Schiebetür auf und drückte auf einen Schalter. Neonlicht flammte auf und beleuchtete erbarmungslos jede Nische und jeden Winkel des Schlachthauses. Clare konnte sofort erkennen, dass es sich um einen neueren Anbau zur Scheune handelte. Sie und Aaron spiegelten sich verschwommen in der Stahlverkleidung der Wände. Vier Rinderhälften hingen von der Decke, neben leeren weiteren Haken. Der Zerwirkbereich, erkennbar an den Stahltischen, Papierrollen, Waagen und einem Arsenal von Messern, war vom – wie sollte sie das bezeichnen? Schlachthof? – durch einen Raumteiler aus Stahl und Fliesen getrennt. Auf der einen Seite war ein tiefes Stahlbecken angebracht, auf der anderen zwei schwere, auf Gummitrommeln gewickelte Schläuche. Im glatten Betonboden zu beiden Seiten des Raumteilers fand sich jeweils ein abgesenkter, vergitterter Abfluss.
»Es … Es ist sauberer, als ich gedacht hätte«, sagte Clare. In der kalten Luft bildete ihr Atem Wölkchen. »Warum ist es hier so viel kälter als in der Scheune?«
Aaron zeigte auf eine Reihe schmaler Lüftungen, die oben an drei Wänden entlanglief. »Im Winter bleiben sie offen. Dad hat einen Temperaturfühler eingebaut. Wenn sie über sieben Grad Celsius steigt, springt die Kühlung an.«
»Hier sieht es gar nicht so anders aus als beim Fleischer im Supermarkt.« Sie musterte die Ringe an den Wänden, wo die nichtsahnenden Tiere angekettet wurden. »Abgesehen davon, natürlich.«
»Wir dürfen beides im selben Raum erledigen, weil wir so klein sind. Wir verarbeiten nie mehr als ein Rind zur Zeit.« Aaron ging zu einem Metallspind und öffnete ihn. »Hier drin werden Bolzenschussgerät und Knochensägen aufbewahrt. Sehen Sie, wir binden das Rind über Kreuz an« – er ging zu den Ringen, um es zu demonstrieren – »und dann setzt Dad das Bolzenschussgerät in der Mitte der Stirn auf. Der Stahlbolzen bohrt sich durch den Schädel in das Gehirn, und das Tier geht in die Knie, und dann …« Er deutete einen Schnitt durch eine Kehle an.
Clare wandte den Blick ab. Die Messerkollektion fiel ihr ins Auge, und sie trat näher heran, um sie zu begutachten. »Schließt dein Dad das alles gar nicht weg? Das scheint mir nicht sehr sicher.«
»Wenn man will, kann man die Tür verriegeln. Aber hier kommt nie jemand herein, außer, er muss, Sie wissen schon, arbeiten.«
Sie lächelte ihn schief an. »Willst du mir weismachen, du wärst noch nie mit deinen Freunden hier gewesen, um ihnen mal eine Gänsehaut zu verpassen? Oder vielleicht mit einem Mädchen, damit sie kreischen und sich dir an den Hals werfen kann? Ich wette, dass dieser Raum im Dunkeln besser wirkt als die Geisterbahn auf dem Jahrmarkt.«
Aaron senkte den Kopf, doch nicht rasch genug, um sein Grinsen zu verbergen.
»Ist Quinn Tracey schon mal hier gewesen?«
Er blickte auf. »Klar. Er findet es echt cool. Seine Mom und sein Dad – sie wollen ihr Fleisch nur als sauberes Plastikpäckchen aus dem Supermarkt. Gott behüte, dass man mitkriegt, wie es dorthin kommt. Aber Quinn ist anders. Um die Wahrheit zu sagen« – er senkte die Stimme –, »er will so leben wie ich. Er wäre unheimlich gern Farmer oder Soldat. Aber das kann er seinen Alten natürlich nicht sagen, weil die einen Herzinfarkt kriegen, wenn er nicht aufs College geht.«
Clare lehnte sich gegen den Stahltisch. In Größe und Höhe ähnelte er dem Altar ihrer Kirche. Eine kalte Erinnerung daran, dass ihr Gott ehedem gefordert hatte, das Blut von Tieren als Sühneopfer vor Ihm zu vergießen. »Aaron?«, fragte sie, »was wolltest du mir erzählen, das deine Mutter nicht hören soll?«
Er verschränkte die Arme und starrte auf seine Stiefel. Als er endlich zu ihr aufblickte, war sein Gesicht ein Bild der Unentschlossenheit. »Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen das verraten sollte. Quinn ist mein bester Freund, und ich will nicht, dass er Ärger bekommt.«
»Du bist ein kluger Bursche, Aaron.
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