Wer Mit Schuld Beladen Ist
Bruder. »Alanna, Schätzchen, wie war dein Tag?«, fragte ihre Mutter.
»Okay«, antwortete das Mädchen. »Darf ich an den PC?«
»Erst die Arbeit«, erwiderte ihre Mutter.
Das Mädchen schnitt eine Grimasse, warf seinen Rucksack auf einen der Küchenstühle und verschwand wieder im Vorraum.
»Aaron, das ist Clare Fergusson«, sagte Vicki. »Sie ist eine Freundin des Polizeichefs. Er hat ein bisschen Ärger, und sie hilft ihm.«
Der Junge streckte die Hand aus. »Erfreut, Sie kennenzulernen.« Sein Lächeln war unbeschwert und ansteckend und ließ ihn weniger wie ein Kind, sondern mehr wie einen Mann wirken, den es wirklich freute, sie kennenzulernen.
»Hi, Aaron.« Clare konnte ihm nicht widerstehen und lächelte zurück. »Wie deine Mom schon sagt, ich versuche, ein paar losen Fäden zu folgen, die den Fall Van Alstyne betreffen. Du hast gehört, dass Mrs. Van Alstyne ermordet worden ist, nicht wahr?«
Er ließ sich auf den Stuhl neben ihr fallen. »Ja, Ma’am. An dem Tag, an dem sie umgebracht wurde, waren Quinn und ich dort. Es überrascht mich, dass die Polizei uns noch nicht befragt hat. Oder – na ja, vielleicht auch nicht.«
»Das ist der Grund, warum ich hier bin«, sagte Clare. »Wenn ich Quinn richtig verstanden habe, habt ihr beide an dem Sonntag ein Auto in der Zufahrt der Van Alstynes gesehen.«
»Ja, Ma’am, aber fragen Sie mich nicht, was das für eines war. Klein und japanisch, an mehr kann ich mich nicht erinnern.«
»Quinn konnte uns Modell und Kennzeichen nennen …«, begann Clare, doch Vicki unterbrach sie.
»Babe, was ist das für eine Geschichte, dass Quinns Eltern nicht wollen, dass ihr euch trefft?«
Aarons Zurschaustellung von Verwirrung war beinah theatralisch. »Was?«
»Das hat Quinn behauptet, als Chief Van Alstyne ihn befragt hat. Er wollte nicht, dass der Chief mit seinen Eltern redet, weil er mit dir zusammen war und seine Eltern davon nicht begeistert wären.«
»Aha.« Der Junge senkte den Kopf. Eine dicke schwarze Haarlocke fiel ihm über ein Auge, und er sah seine Mutter darunter hervor kleinlaut an. »Vielleicht liegt es daran, dass er eigentlich keinen mitnehmen darf, wenn er mit seinem Truck Schnee räumt.«
»Aaron.« Vicki runzelte die Stirn. »Du bist doch immer mitgefahren, wenn er räumen war.«
Aarons Gesicht spiegelte perfektionierte Teenager-Erbitterung. »Es ist doch nur, weil sein Vater sich wegen der Versicherung so ins Hemd macht. Er hat Angst, dass er selbst dran ist, wenn jemand mit im Truck sitzt und es einen Unfall gibt. Es ist eine blöde Regel, Mom. Wirklich, zu zweit ist es sicherer. Einer fährt, und der andere behält die Autos auf der Straße im Auge.«
»Das ist mir egal. Wenn Mr. Tracey diese Regel aufgestellt hat, musst du ihn erst um Erlaubnis bitten, ehe du das nächste Mal mit Quinn zum Schneeräumen fährst.«
»Ja, Ma’am.«
Seine Kapitulation war beeindruckend. Damals, als Kind, hätte Clare noch zwanzig Minuten weiter gejammert und gebettelt. Vicki MacEntyre machte eindeutig etwas richtig. »Aaron, kannst du dich an irgendetwas anderes erinnern, das dir an diesem Nachmittag aufgefallen ist? Etwas, das du bei den Van Alstynes oder an der Peekskill Road gesehen hast?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Ma’am, tut mir leid.«
»Und was habt ihr an dem Tag dort draußen gemacht?«
»Wir sind nur so rumgefahren.« Er bedachte seine Mutter mit einem gewollt schelmischen Blick. »Wir haben Eisflächen gesucht, um ein bisschen zu kreiseln.«
»Aaron!«
Clare verbarg ihr Lächeln hinter den gefalteten Händen. Einen Pick-up absichtlich ins Schleudern zu bringen war nicht gerade die intelligenteste Idee, doch angesichts der Bandbreite der Missetaten, die zwei Jungen dieses Alters begehen konnten, fiel es doch eher unter halbwegs harmloses Vergnügen.
»Kann ich jetzt an die Arbeit? Ich will auch noch an den PC.«
Vicki wandte sich an Clare. »Noch Fragen?«
»Nein. Ich danke dir, Aaron.«
»Jederzeit.« Der Junge stand auf und schlenderte in den Vorraum. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, konnte Clare das Rascheln eines Parkas, der vom Haken genommen wurde, und das Trampeln von Stiefeln hören.
»Er ist ein guter Junge«, bemerkte sie.
Vicki klopfte auf den Küchentisch. »Ich würde mir wünschen, dass er mehr Zeit mit den Hausaufgaben und weniger vor dem Computer verbringt. Aber was soll’s. Solange er seinen Schulabschluss macht und genügend Fähigkeiten mitbringt, damit die Armee ihn nicht an die
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