Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
zitterten. Als er merkte, dass die Stein es merkte, schob er sie zwischen seine Knie.
*
Im Büro sortierte die Stein ihre Akten. Blieb bei Annegret Scherzingers Freundinnen hängen. Sie waren allesamt Chorfreundinnen. Keine Arbeitskolleginnen.
Die Stein hatte lange darüber gegrübelt. Annegret ScherÂzinger arbeitete als Lehrerin am Regiomontanusgymnasium in HaÃfurt. Aber erst seit einem Jahr. Sie war auf halber Stelle. Keine gute Ausgangssituation für das Schmieden von Freundschaften.
Die Stein fuhr zum Schulzentrum. Im August lag tiefe Stille über dem Komplex. Flachbauten, viel Grau, dazwischen Grün. Ein riesiger Parkplatz. Sie ging ins Sekretariat.
Nein, der Sekretärin war nichts bekannt, also nichts über Freundschaften oder besondere Vorlieben von Frau Scherzinger. Sie war eine angenehme Kollegin. Englisch und Geografie, das war eine gute Kombination, keine allzu unbeliebten Schulfächer, und in Geografie, da konnte man Exkursionen anbieten, das gefiel den Schülern, die waren durch den Steigerwald gekrochen, auf allen Vieren, und hatten Gesteinsproben und in Kooperation mit dem Biologielehrer auch Pflanzenproben genommen.
»Mit dem Biologielehrer?«
»Ed Sinsheim.«
Ein Lichtblick. Die Stein setzte sich ins Auto und trommelte geschlagene fünf Minuten mit den Fingern auf das Lenkrad. Es waren ihre Gedanken, die Amok liefen. Natürlich waren alle Kollegen der verschwundenen Annegret befragt worden, routinemäÃig, und Routine, so fand die Stein, war immer Mist.
Ed Sinsheim. Wohnhaft in Königsberg. Der Mann war ein Lichtblick.
M. rief an.
»Sehen wir uns heute Abend?«
In Ruth Steins Magen rotierten die Verdauungssäfte.
»Wir sehen uns.«
Sie legte auf und fuhr nach Königsberg.
*
Ed Sinsheim lebte mitten in Königsberg 76 . Er war nicht nur Lehrer, sondern auch Schöngeist, er malte und dichtete und scheute sich nicht, seine Gemälde und seine Gedichte auf Leinwand gepinselt an die Wände seines Fachwerkhauses zu hängen. Er hatte die Stauferburgreste gemalt, die hoch über Königsberg aufragten, den Regiomontanusbrunnen, auÃerdem mindestens 20 verschiedene Versionen eines Rosenstocks vor einer Fachwerkfassade. Seine dürren Beine ragten aus Kaki-Shorts. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: âºBerlin, mon amourâ¹.
Die Stein hatte geforscht. Er war geschieden. Die Ex-Frau hatte den gemeinsamen Sohn in die neue Ehe integriert. Er lebte allein. Keinerlei Auffälligkeiten, für die die Polizei sich interessieren könnte.
Er war inspiriert und einsam. Hatte nicht einmal Kaffee im Haus und schlug vor, in das Café im Kunsthandwerkerhof 77  zu gehen. Da gäbe es auch Kuchen.
Die Stein folgte ihm. Ihre Sneakers tappten lautlos über das Kopfsteinpflaster. Die Stadt lag wie ausgestorben.
»Diese Hitze!«
»Sie unterrichten Biologie und Chemie?«
»Genau. Ich sollte Apotheker werden, konnte mich meinem Vater aber widersetzen.«
»Und mit Annegret? Wie lief das so?«
Sie gingen auf den Kunsthandwerkerhof zu. Die kleinen Werkstätten, in denen die Künstler arbeiteten, und das Café standen weit offen. Das Leben verlief ruhig, schläfrig, sommerlich. Ein Golden Retriever kam aus der Gasse vor dem Hof und sackte ermattet vor Ruth Stein auf das Pflaster. Sie nahm die Sonnenbrille ab.
»Mit Annegret?« Ed Sinsheim sank auf einen Stuhl und bestellte ein Radler. »Verdammt, ist das heiÃ!«
»Sie hatten eine Affäre.« Die Stein genoss das Wort: Affäre. Wenn man sich Mühe gab, konnte man es richtig französisch aussprechen. Dann klang es noch gefährlicher.
Ed Sinsheim sah aus, als habe man ihm weiÃe Farbe ins Gesicht gespritzt. Er öffnete den Mund, würgte, hustete. Aus einer der Werkstätten tönte Musik. Klang türkisch. Oder arabisch. Die Stein kannte sich damit nicht aus. Sie beobachtete Sinsheim. Er konnte nicht sprechen. Sie wartete, bis sein Radler und ihre Apfelschorle kamen. Beide hoben sie die Krüge, als seien sie Verdurstende.
Das Radler von Sinsheim verdunstete innerhalb von fünf Sekunden zur Hälfte.
»Sie und Annegret hatten eine Affäre«, stellte die Stein fest. »Gut verborgen. Selten gelebt. Aber stark. Intensiv. Glühend.«
Er brach zusammen. Es stimmte, sagte er, sie hätten eine Beziehung gehabt, Annegret sei seine groÃe Liebe, und über kurz oder lang hätte sie ihren
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