Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
sich die Zehen nass zu machen, dachte Katinka.
Als sie vom Hauptmarkt Richtung Lorenzer Altstadt abbog, brach die Sonne durch. Auf der Brücke drehte sie sich um und sah die Kaiserburg vor einem Stück blankem Blau liegen.
Im nächstbesten Café zückte sie ihr Smartphone und googelte nach Marius Kaffke.
Ein Maler.
Wohnhaft in Nürnberg.
Na, bitte.
*
Wie er mit dem Pinsel über meine Wangen strich!
Sogar hier, in dem ungeheizten Waschraum in einem Museum, wo die Leere hallt, fühle ich wieder das borstige Marderhaar auf meiner Haut. Er nahm die Linien meines Gesichtes auf. So geschehe es immer, sagte er, dass er sich in die Konturen seiner Modelle verliebte.
Die alte Stiege drauÃen knarrt. Ich fahre aus meinen Tagträumen. Aber ich habe den Schlüssel nicht im Schloss gehört. Es kann noch keine Gruppe kommen. Ich habe Zeit. Zeit, alles zu beenden, was ohnehin nie mehr zu einem Ende gebracht werden kann.
Aber der kurze Schreck, die dem Knärzen des Holzes geschuldete Aufmerksamkeit, hat den Strom an warmen Gefühlen unterbrochen. Ich sehe nur noch das blasse Gesicht in dem Spiegel, das meines ist.
*
Katinka traf Kaffke am Hauptmarkt 86 . Die Sonne schien und bestrahlte die Frauenkirche, die in ganz Deutschland vor allem wegen eines einzigen Ereignisses bekannt war: Das Nürnberger Christkindl eröffnete hier turnusmäÃig den Weihnachtsmarkt. Dabei hatte der Platz durchaus eine dramatische Geschichte zu bieten: Das an seiner Stelle liegende jüdische Getto wurde im 14. Jahrhundert niedergebrannt, und die Nationalsozialisten benannten den Hauptmarkt in Adolf-Hitler-Platz um. Hier waren auÃerdem die âºNürnberger Gesetzeâ¹ verkündet worden. Katinka war sich sicher, dass es auch zwischen diesen Daten genug Mord und Totschlag auf dem Kopfsteinpflaster gegeben hatte.
»Sie haben es ja eilig«, bemerkte Marius Kaffke. Er trug eine Filzjacke, die über seinem ausladenden Bauch spannte. Sein Gesicht war rot und zeigte die untrüglichen Spuren intensiven Alkoholkonsums.
Katinka lächelte ihn an. In ihrem Parka wurde ihr schnell heiÃ. Auch auf Kaffkes Gesicht standen SchweiÃperlen.
»Sie sind doch Porträtmaler?«
»Einen Termin bekommen Sie sofort, wenn Sie wollen. Die Preisliste ist im Internet. Erste Sitzung: Skizzieren. Dann nach Absprache.«
»Ist es weit zu Ihrem Atelier?«
»Ãber den Fluss und dann rechts.«
Katinka ging neben ihm her. Er sprach nicht viel. GrüÃte den einen oder anderen Passanten. Sah dabei nicht unbedingt unfreundlich aus. Eher ungeduldig. Genervt. Als widere das Leben ihn an. Er führte Katinka in eine steil ansteigende StraÃe, um ein paar Ecken in einen Hinterhof. Eine Treppe hinauf. An der Tür gab es kein Schild, das auf ein Atelier hinwies. Katinka berührte behutsam die Beretta, die im Holster unter ihrer Achsel steckte.
Das Atelier bestand aus einem einzigen Raum mit Dachfenster, von dem aus man die Burg 87  sehen konnte. Katinka erkannte den allseits bekannten runden Turm mit dem spitzen Dach.
»Wussten Sie, dass es in Nürnberg mal einen kuriosen Flaggenstreit gab? Auf Anordnung des bayerischen Innenministers durften nur die deutsche und die bayerische Flagge gehisst werden.« Kaffke lachte trocken.
»Und jetzt?«
»Irgendwo weht inzwischen auch die rot-weiÃe Frankenfahne. Gedöns.«
»Sie sind nicht von hier?«
»Nein. Ich lebe hier wegen der Kunst. Die Frankentümelei ist mir ein Gräuel.« Er machte sich an einer Kaffeemaschine zu schaffen.
Katinka nahm das Atelier näher in Augenschein. Etliche Frauenporträts. Tierbilder. Frisch mit Leinwand bespannte Keilrahmen. Sie lehnten in Regalen, standen auf dem Boden. In einer Ecke befand sich ein ramponierter Tisch voller Farbflecke, auf dem in einem wirren Durcheinander Pinsel, Spachtel, Paletten und Farbtuben lagen.
»Das Genie beherrscht das Chaos. Manchmal restauriere ich auch Bilder. Aber meistens lebe ich meine eigene Kreativität aus.«
Katinkas Blick fiel auf ein unfertiges Gemälde, das ihr irgendwie bekannt vorkam. Eine Frau mit langem dunklen Haar war darauf abgebildet, in einem grünen Kleid, das bis zum Boden reichte. Links von ihr deutete sich die Gestalt eines Mannes in klaren Kohlestrichen an.
Sie sah von dem Bild zu Kaffke und wieder weg. Die Atmosphäre im Raum veränderte sich.
»Ist etwas?«, fragte Kaffke.
»Ich mag
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