Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
tun.«
»Warum hat Ihre Frau Sie nach Nürnberg begleitet?«
»Um Kaffke zu treffen. Natürlich.«
»Hat Sie Ihnen gegenüber das so geäuÃert?«
»Nein. Sie sprach nie über ihre Porträtsitzungen. Die letzte liegt auch eine Weile zurück. Drei, vier Wochen. Wir leben in München, es ist ja kein weiter Weg hierher.«
»Was war der Anlass Ihrer Reise?«
»Beruflich.« Schwerte kniff die Lippen zusammen.
Sie liefen über die groÃe, mit Granitplatten gepflasterte schnurgerade StraÃe nach Südosten. Die âºGroÃe StraÃeâ¹ war als AufmarschstraÃe geplant und lag nun seltsam deplatziert in all dem grauen Nass. Sie gingen zwischen den beiden Teichen durch. Katinka sagte nichts mehr. Sie wusste, dass Schwerte log. Dante gegenüber hatte er durchblicken lassen, er sei nur wegen des Gemäldes von Konrad Witz nach Nürnberg gekommen. Weshalb konnte er ihr das nicht bestätigen?
Der Regen wühlte den Dutzendteich auf. Ein paar Enten setzten zum Landeanflug an. Ein Jogger rannte ihnen entgegen, seine orange leuchtenden Sportschuhe patschten in die Wasserlachen. Sie gingen über das Zeppelinfeld, dessen oberes Ende durch die überdimensionierte Tribüne gebildet wurde. Katinka sah ein paar Leute in identischen roten Regenjacken, die auf der Führerempore Fotos schossen. Aus alten Wochenschauen kannten die meisten Geschichtsinteressierten Filme von den Aufmärschen während der Reichsparteitage und zu anderen Gelegenheiten. Ihr lief ein Frösteln über das Rückgrat. Hatten die Leute, die damals voller Inbrunst an die Nazi-Ideologie geglaubt hatten, nur einen Funken Zweifel gekannt?
»Wie heiÃt übrigens Ihre Frau?«, erkundigte sich Katinka.
»Maria.«
*
Ich hatte eigentlich ein gutes Leben. Von auÃen würde jeder sagen, ich habe den groÃen Wurf gemacht. Aber der Blick von auÃen ist Blendung. Ich allein kenne mein Leid. Die innere Einsamkeit. Thorleifs Unfähigkeit, mich zu verstehen, obwohl er sich Mühe gibt. Aber er verliert eben leicht die Geduld und wird von anderen Dingen abgelenkt.
Ich glaube, er bekam Angst, dass Kaffke mich verstehen würde. Auf seine wortlose, grantlerische Art.
Mein Gesicht spiegelt sich in den Scherben, die vor meinen FüÃen liegen. In meinen Ohren hallt noch der Lärm des zersplitternden Spiegels. Ich bücke mich und nehme eine Scherbe in die Hand. Jetzt sehe ich mich so, wie ich mich fühle: Nur ein Fragment bin ich. Ein Stück Nase, ein Stück Augenbraue. Ein Ohrläppchen.
Wie kam Kaffke nur darauf, mich so, genau so , zu malen? Hat ihn mein Name inspiriert?
Er hat die Farben getauscht. SchlieÃlich habe ich dunkles Haar, und er hat das Kleid schulterfrei angelegt. Unmöglich für das 15. Jahrhundert! Aber es ist eindeutig dasselbe Motiv. Ich frage mich, ob er es fertig malen wird. Ob er es verkaufen wird, zu Geld machen, und wie er das Geld dann investieren wird. Natürlich hat sein Bild Format. Seine Werke sind alle unglaublich. Sie besitzen Stärke, strahlen einen gewissen GröÃenwahn aus, der sich aus der Unverfrorenheit des Meisters speist. Ein sakrales Bild, ein zentrales Motiv der christlichen Religion, wird eine Liebeserklärung.
Obwohl ich genau weiÃ, dass das Gemälde eben keine Liebeserklärung ist. Sondern eine Rache an Thorleif. Ich bin nur der Fehdehandschuh.
Mit der linken Hand packe ich mein Haar am Nacken und schneide es mit der Scherbe ab. Die scharfe Kante kann die dicken Strähnen nur nach und nach durchtrennen. Es ziept und reiÃt. Ich sehe das Haar zu Boden fallen. Ich fühle nichts.
*
Katinka drückte sich vor Kaffkes Atelier herum. Als der Künstler endlich ging, war es Viertel nach sechs und düster. Er zog sich eine Kapuze übers Gesicht und eilte davon, ohne sich umzusehen.
Katinka flitzte durch das Treppenhaus, öffnete die Ateliertür mit ihrem Dietrich und trat ein. Es roch stark nach Terpentin. Die Dachluke stand einen schmalen Spalt offen. Wahrscheinlich würde Kaffke nicht allzu lange wegbleiben.
Das Bild stand noch da, wo sie es zuletzt gesehen hatte. Eine Frau in einem grünen Kleid, aber anders als bei Konrad Witz, natürlich, 600 Jahre später sieht man die Welt in neuem Licht. Ihr Haar war nicht blond, wie auf dem Original, sondern dunkelbraun. Ihre Lider hielt sie nicht gesenkt, sie schaute den Betrachter vielmehr direkt an. In ihrem Blick
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