Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
werden!«
»Die sind ja keine Babys mehr.«
»Ich hätte es ihnen nur gern selbst gesagt.« Selma schniefte. »Haben Sie denn schon sachdienliche Hinweise?«
»Schicke Wortwahl. Zu viele. Bin am Aussortieren.«
*
Gregor rannte nach Hause. Es hatte keinen Sinn. Er war kein Dieb. Er hatte keine Nerven. Er hatte Skrupel.
Keuchend stieg er die schmale Treppe zu seiner Wohnung hinauf. Im Parterre kam seine Nachbarin vor die Tür.
»Herr Jakobs?«
Er blieb stehen, lehnte den Kopf kurz an die Wand. Er mochte Frau Schwesinger nicht. Er mochte überhaupt keine Menschen. Am wenigsten aber solche, die sich in seine Angelegenheiten mischten. Er wollte allein sein. Und wie er das wollte! Gerade jetzt. Er musste nachdenken.
»Jaaa?«, fragte er gedehnt. Sein Herz hämmerte immer noch, von der ungewohnten Bewegung drauÃen in der Hitze. Von der Aufregung.
»Heià heute, nicht?«
Das war es, was er hasste. Plattheiten. Die sinnlose Vergeudung von Wörtern. Von Gedanken. Von Konzentration.
»Ja, ist es, Frau Schwesinger.«
Sie kam ein paar Stufen zu ihm hoch. Er erhaschte ihren Geruch. Patschuli. Hatte er von jeher als aufdringlich empfunden. Sie war füllig, trug das Haar hochgesteckt. Alles an ihr war falsch, nur nicht das üppige Haar und ihr mächtiger Busen.
»Ich wollte Sie fragen ⦠ich fahre heute Abend für ein paar Tage zu meiner Schwester nach Frankfurt ⦠also ⦠ob Sie meine Blumen gieÃen könnten? Die krepieren mir ja bei dem Wetter.«
Erleichtert nickte Gregor. Wenn es weiter nichts war.
»Und den Kater füttern?«
Das war schon schwieriger. Gregor mochte keine Katzen. Aber er wollte die Schwesinger loswerden.
»Ja. Das mache ich selbstverständlich.«
»Danke! Wissen Sie, ich fahre mit dem Zug, weil bei der Hitze ⦠und dann in meinem Auto ⦠ich habe ja keine Klimaanlage.«
»Ich weiÃ, Frau Schwesinger!«
Wie oft hatte sie bereits über ihr Auto geklagt! Sie kam sich unterprivilegiert vor, weil sie kein Auto mit Klimaanlage hatte, das musste man sich mal vorstellen. Gregor wischte sich den Schweià von der Stirn. Er besaà nicht mal ein Auto! Sein Weg zu seinem Arbeitsplatz funktionierte nur, weil es eine Kollegin gab, die ihn treu und brav mitnahm. Er arbeitete sowieso nur 15 Stunden in der Woche.
Die Schwesinger hielt ihm ihren Wohnungsschlüssel hin.
»Da bin ich aber froh, dass ich mich auf Sie verlassen kann!«
*
Dante fuhr nach Stein. Er brauchte Verbündete. Thomas, Selmas ältester Sohn, schien ganz nach seinem Geschmack. Sie hatten telefoniert: ein aufgeweckter Knabe, der gerade 18 geworden war und Bibliothekar werden wollte. Deswegen das Praktikum.
Dante kam am Steiner Schloss vorbei. Dahinter ballten sich graue Wolken zusammen. Seltsam, dachte er, dass Stein nicht zu Nürnberg gehörte, wo es doch sozusagen mit dem GroÃraum verschmolz, aber eben nur beinahe. Das âºDorf der Bleistiftmacherâ¹, wie Stein auch genannt wurde, hatte sich seine Eigenständigkeit bewahrt. Vermutlich unter Einflussnahme des Schlossherrn, dachte Dante. Aus einem kleinen Handwerksbetrieb war hier in Stein die gröÃte deutsche Bleistiftfabrik entstanden. Dante besaà selbst Dutzende der grün lackierten Stifte und benutzte sie mit Leidenschaft. Sie schrieben immer. Auch bei groÃer Kälte, auch auf feuchtem und fettigem Papier. Anders als Kugelschreiber.
Neben der StraÃe erhob sich das Schloss 96 , ein repräsentativer Wohnbau des Industrieadels von einst, das inzwischen jedoch nicht mehr von der Familie genutzt wurde. Im sommerlichen Abendlicht schien die Anlage unwirklich, als sei sie als Filmkulisse gerade eben erst errichtet worden. Die Alliierten hatten dort während der Nürnberger Prozesse das internationale Pressezentrum eingerichtet, mit so berühmten Schreiberlingen wie Erika Mann und Ernest Hemingway. Dante seufzte: Journalistisch wäre das seine Zeit gewesen. Da gab es Themen! Er dagegen jagte einen Dieb vom Fürther Grafflmarkt. Aber so war eben sein Leben. Kein Grund zu motzen, es hätte schlimmer kommen können.
Thomas war ein schlaksiger Typ in zerschlissenen Jeans mit blonden Ponyfransen, die er alle 30 Sekunden in einer weit ausholenden Bewegung nach hinten frisierte.
»Echt ScheiÃe, Mann!«, begrüÃte er Dante an der Tür zur Stadtbücherei. »Tut mir echt leid für meine
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