Wer nach den Sternen greift
Parkanlagen wirkten äußerst ungepflegt. Überall wucherte das Unkraut. Wo musste ihre Tochter leben? Sie schlang die Arme um Alex und rief aus: »Oh, mein Liebling, das hätte ich mir nicht träumen lassen. Vater hat es mir ja erzählt, aber ich habe ihm nicht geglaubt! Nun, das werden wir ändern müssen. Wo ist dein Mann?«
»Ich weiß nicht.«
»Wenn er kommt, möchte ich sofort mit ihm sprechen. Oder soll ich lieber mit dem Herzog reden?«
»Weiß der Himmel, wann Oliver wieder nach Hause kommt. Er ist heute früh nach London gefahren.«
»Wie meinst du das?«, fragte Sophie scharf.
»Er ist kaum hier. Er hat eine Wohnung in London, und dort hält er sich meistens auf.«
Sophie blickte ihre Tochter entsetzt an. Dann ging sie zum Herzog, der einfach nur nickte, als sie ihm erklärte, es müssten mehr Gärtner eingestellt werden. »Sagen Sie es Scully«, erklärte er. »Scully kümmert sich darum.«
Am Ende der zweiten Woche ihres Aufenthaltes fragte Sophie: »Ist es hier immer so?«
Alex nickte.
»Gehst du nie auf Partys oder besuchst jemanden?«
Sie stellte die Frage in Clarissas Anwesenheit.
Als sie erfuhr, was für ein Leben ihre Tochter führte, ließ sie sich vom Chauffeur nach London fahren, wo sie in Brown’s Hotel abstieg. Sie erledigte einige geschäftliche Angelegenheiten, und zwei Tage später holte sie die anderen beiden Frauen ab. Ihre zwanzigjährige Tochter war noch zu unerfahren für diese Art von Leben.
Clarissa und Alex freuten sich über den unerwarteten Ausflug nach London, und auch die Nanny, die noch nie in der Großstadt gewesen war, fand den Gedanken aufregend.
Obwohl die Theatersaison im Juni noch nicht auf dem Höhepunkt war, führte Sophie sie an zwei Abenden ins Theater. Schließlich verkündete sie: »Wir werden hier ein Haus kaufen. Man hat mir gesagt, die führenden Gegenden seien Grosvenor Square und Mayfair. Ich habe mit einem Makler vereinbart, dass er uns geeignete Objekte zeigt, und ich dachte, dass ihr beide sicher gerne auch eure Meinung dazu sagen möchtet.«
Alex umarmte ihre Mutter stürmisch, und Clarissa sah neiderfüllt zu. Sie hätte auch gerne eine Tochter gehabt.
»Nächsten Winter gibt es keine Entschuldigungen mehr, um während der Saison in einem zugigen alten Kasten auf dem Land zu wohnen. Wir können ein Schmuckstück daraus machen, aber im Winter werdet ihr in London wohnen und ausgehen.«
Und so wurde das Haus am Grosvenor Square 41 gekauft, ohne dass ein Mann zu Rate gezogen wurde. Die Kaufurkunde war auf Alex ausgestellt. Sophie verschob ihre Rückreise nach Amerika, bis sie zusammen mit Alex und Clarissa das Haus vollständig eingerichtet hatte. Es dauerte drei Monate, bis alles renoviert und neu möbliert war, und die Kosten dafür beliefen sich auf eine Viertelmillion Dollar, aber davon trennte Sophie sich gerne.
Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Alex das Gefühl, von ihrer Mutter geliebt zu werden, die ausnahmsweise ihre eigenen Wünsche nicht an die erste Stelle setzte. Alle vierzehn Tage kam auch Clarissa in die Stadt und blieb zwei oder drei Nächte, und die Frauen genossen es, Möbel auszusuchen, in kleinen Tea Rooms zu sitzen und im fast leeren Speisesaal des Hotels zu dinieren, weil die meisten vermögenden Engländer nicht in London, sondern auf dem Land waren.
Als Clarissa wieder ins Schloss zurückgekehrt war, sagte Sophie zu ihrer Tochter: »Du merkst sicher, dass ich deine Schwiegermutter mit einbeziehe, damit ihr eine gute Beziehung zueinander habt. Ich habe meiner Schwiegermutter auch sehr nahegestanden. Aber wenn du einmal ohne sie in der Stadt sein möchtest, nimmst du dir hoffentlich die Freiheit.«
Alex konnte sich nicht vorstellen, warum sie sich allein in der Stadt aufhalten sollte.
»Die Wohnung wird dein Mann aufgeben müssen. Dies ist jetzt die Stadtadresse der Familie, und Oliver wird sich hier aufhalten und Einladungen für euch als Paar annehmen. Du wirst diesen Winter sicher nicht erneut schwanger werden wollen.«
Alex konnte ihrer Mutter gegenüber nicht zugeben, dass Oliver sie sowieso kaum jemals berührte. Sophie fuhr fort: »Ich habe einen Termin bei einem angesehenen Frauenarzt gemacht. Er wird dir ein Diaphragma einsetzen.«
»Ein was?«
»Oh, das gibt es schon seit einigen Jahren. Sie verhindern, dass Frauen ungewollte Kinder bekommen. Und dir steht
die
Saison in London bevor.«
Alex fand es schwierig, das Diaphragma einzusetzen und wieder herauszunehmen, aber dadurch lernte sie Teile ihres
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