Wer nach den Sternen greift
Körpers besser kennen, mit denen sie zuvor nie in Berührung gekommen war. Sie bezweifelte zwar, dass sie es jemals benutzen würde, aber ihre Mutter hatte recht. Sie wollte im kommenden Winter ausgehen und Leute treffen und nicht unsichtbar für alle Welt in Woodmere leben.
Clarissa erzählte sie nichts von dem Diaphragma. Sie erzählte überhaupt niemandem davon, sondern verbarg es in einer Schublade unter ihrer Unterwäsche.
Als das Haus am Grosvenor Square fast fertig war, schickte Clarissa Oliver eine Nachricht, in der sie ihm mitteilte, sie und Alex seien bei dieser Adresse und möchten ihn gerne sehen.
Er kam noch am gleichen Nachmittag, und als er die Treppe zu dem imposanten Haus hinaufstieg, fragte er sich verwundert, was seine Mutter und seine Frau hier wohl machten. Seit Sophie das Haus gekauft hatte, hatten sie ihn nur einmal gesehen und ihm nichts davon erzählt. Ein neuer Butler, Clyde, führte ihn in den Salon, wo Clarissa saß und ein Buch las. »Ah, da bist du ja. So schnell hatte ich dich gar nicht erwartet. Alex hat sich ein wenig hingelegt.«
»Was tust du in London, Mutter?«
»Dieselbe Frage könnte ich dir stellen. Aber lassen wir die Vergangenheit ruhen. Du kannst in dieser Woche deine Sachen hierher bringen lassen.«
»Hierher?«
»Ja. Dieses Haus gehört deiner Frau, und es wäre nur passend, wenn es auch deine Adresse in London wird, nicht wahr?«
Oliver setzte sich. »Möchtest du einen Whisky?«, fragte Clarissa, obwohl es erst vier Uhr nachmittags war. Oliver nickte.
»Was?«
Seine Mutter lächelte. »Warum wäre angebrachter. Wir haben uns gelangweilt. Wir brauchen Licht und Menschen um uns herum, deshalb hat Alex’ liebe Mutter dieses Haus gekauft. Hier werden wir den Winter verbringen, es sei denn, du möchtest zum Skilaufen fahren, was Alex schrecklich gerne täte. Vielleicht fährst du ja nächstes Jahr mit ihr in die Schweiz. Alex kann jederzeit mit dir ins Theater oder zu Partys gehen, und du musst von nun an nicht mehr allein wohnen.«
Als er schwieg, fuhr seine Mutter fort: »Es ist viel einfacher, hier Gesellschaften zu geben. Die Leute müssen nicht für das gesamte Wochenende anreisen. Und da deine Frau und ich gute Freundinnen geworden sind, können wir zusammen Einladungen geben. Als Erstes werden wir eine Reihe von Dinnerpartys veranstalten, um Alex der Londoner Gesellschaft vorzustellen. Ist das nicht wundervoll? Und das verdanken wir alles ihrer Mutter!«
Oliver schluckte schwer.
»Alex zu heiraten war sicher das Klügste, was du je getan hast. Wir müssen Alex auf ewig dankbar sein für die Großzügigkeit ihrer Familie.«
Clarissa hatte diese Rede immer wieder geübt. Sophie und Alex hatten ihr kichernd zugehört und noch zusätzliche Vorschläge gemacht.
»Und jetzt kannst du auch endlich deinen Sohn kennenlernen!«
In diesem Moment rauschte Sophie ins Zimmer. Ungeachtet der Tatsache, dass sie mittlerweile vierzig Jahre alt war, sah sie gut aus. Sie war nicht so schön wie ihre Mutter und auch nicht so strahlend wie ihre Tochter, aber nichtsdestotrotz beeindruckend. Sie hielt sich gerade und war immer so gekleidet, als würde sie die Königin empfangen. Alex hatte ihre Mutter noch nie anders als perfekt frisiert und elegant gekleidet gesehen.
»Wie nett, dich zu sehen, Oliver«, sagte Sophie und streckte ihm die Hand entgegen.
Oliver stand auf, um sie zu begrüßen. Er war immer noch sprachlos.
»Das ist ja eine Überraschung«, stammelte er.
»Ich hoffe, die Einrichtung gefällt dir.« In Wirklichkeit war ihr seine Meinung völlig egal. Sie und Colin hatten nicht viel gemeinsam, aber in der Ehe mit ihm hatte sie alles bekommen, was sie wollte. Und sie hatte sich nicht so viel Mühe gegeben, Alex zu einer guten Partie zu erziehen, damit sie auf dem Land ein Leben ohne Aufmerksamkeit und Respekt führte. Ihre Tochter würde eines Tages Herzogin sein, und Oliver sollte schon einmal anfangen, sich wie ein Herzog zu benehmen.
Die Möglichkeit, dass es Alex eines Tages so gehen würde wie Clarissa, akzeptierte Sophie nicht. Für sie war entscheidend, dass Oliver seiner Frau kein gesellschaftliches Leben bot. In Amerika sorgten die Frauen für das gesellschaftliche Leben, und das musste Alex eben noch lernen.
Sie durfte sich nicht auf dem Land vergraben und sich bemitleiden, sondern sie musste ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Die Einladungen zu den Dinnerpartys ihrer Tochter sollten genauso begehrt sein wie die Sophies.
Aber sie wusste
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