Wer nicht küsst, der nicht gewinnt: Roman (German Edition)
Andererseits zählte es vielleicht auch nicht als Einbruch, wenn man sich mit einem Schlüssel Zugang verschaffte.
In der Wohnung waren die Jalousien halb heruntergelassen und tauchten sie in Dämmerlicht. Ich stolperte über den Teppich und mitten hinein in die Metallskulptur. »Mist«, rief ich und fing sie gerade noch rechtzeitig auf.
Der schwere Duft von Lilien lag in der Luft. Unwillkürlich tastete ich nach meinem Asthmaspray, bevor mir wieder einfiel, dass ich es gar nicht mehr brauchte. Seit meinem Besuch in der Zukunft waren meine Lungen auf wundersame Weise frei.
Elliot konnte ich mir in dieser Wohnung beim besten Willen nicht vorstellen. Ich malte mir aus, wie er mit Belle auf dem Sofa saß und in einer dieser Spezialkonstruktionen ein Baby wippte, dann untersagte ich mir mit einem tiefen Seufzer derartige Gedanken. Es hatte keinen Sinn, sich damit zu belasten.
Als ich wie ein Bösewicht in einem Stummfilm zur Treppe schlich, glaubte ich, oben ein Geräusch zu hören. Sofort versteckte ich mich hinter dem Sofa, ein einziges Nervenbündel, und fragte mich, wie es so weit hatte kommen können. Das hier erforderte schon kriminelle Energie. Gleichzeitig fühlte ich mich so lebendig wie selten und spürte förmlich, wie das Blut durch meinen Körper gepumpt wurde.
Als nichts weiter geschah, zog ich die Schuhe aus und schlich die Treppe hoch. Mein Atem ging in heftigen Stößen. Die Wohnung war mir unheimlich – so musste sich ein lauerndes Tier fühlen, das zum Sprung ansetzt. Ob ich mir das Geräusch nur eingebildet hatte, wusste ich nicht mit Gewissheit. Obwohl die meisten Wohnungen natürlich ihre eigenen Geräusche hatten.
Als ich das erste Mal bei Pete geblieben war, hatte ich die ganze Nacht über irgendwelche imaginären Einbrecher gehört, so stark hatten dort die Holzdielen geknarrt. Im Nachhinein war es vermutlich Vivienne gewesen, die herumgeschlichen war und überlegt hatte, wie sie mich wieder vor die Tür setzen könne.
Auf dem Treppenabsatz hielt ich an. Überraschenderweise lagen lauter Klamotten hier herum, und auf dem Teppich waren feuchte Spuren, als hätte Belle gerade erst geduscht und sich dann in aller Eile angezogen. Wider Erwarten konnte sie noch nicht lange weg sein.
Bei den letzten Schritten hin zum Atelier drückte ich mich wie ein Fernsehpolizist an der Wand entlang. Der Fotokopierer stand in der Nähe des Fensters und war mit einer feinen Staubschicht bedeckt. Ich schlich mich an, griff mit Daumen und Zeigefinger nach dem Deckel und hob ihn langsam an. Mein Herz pochte wild in meiner Brust.
Auf der Glasplatte lag ein Blatt im A3-Format, und ich lachte kurz auf. Irgendwie hatte ich nicht wirklich daran geglaubt, dass ich es finden würde. Belle war nicht so schlau, wie sie meinte, wenn sie nicht einmal daran gedacht hatte, es zu verstecken.
Ich nahm es herunter und hielt es ins Licht, aber ich musste nicht einmal genau hinschauen, um zu wissen, dass es Tinas Entwurf war. Ihre Signatur befand sich am unteren Rand, und vermutlich hatte Belle sie wegkopiert.
Mit einem Mal ging mir auf, dass meine Entdeckung rein gar nichts beweisen würde – außer für Tina selbst. Belle könnte uns einfach vorwerfen, das Blatt dort platziert zu haben, um ihr etwas anzuhängen, vielleicht aus purer Eifersucht.
»Verflucht«, murmelte ich und wünschte, ich wäre gar nicht erst gekommen. Diese Aktion war der totale Wahnsinn. Ich hätte Ricky davon überzeugen müssen, etwas zu unternehmen. Wenn er Elliot seine Bedenken mitgeteilt hätte, hätte ich mich gar nicht erst in diese Situation begeben müssen.
Ich dachte gerade darüber nach, ob ich das Blatt in den Kopierer zurücklegen und Elliot anrufen sollte – vielleicht konnte ich ihm einen anonymen Tipp geben –, als ich das unverwechselbare Klicken einer Tür hörte.
O Gott.
Belle war offenbar gar nicht fort. Verzweifelt schaute ich mich nach einem Fluchtweg um und überlegte kurz, unter den Schreibtisch zu kriechen. Schritte kamen über den Teppich, und dann hörte ich einen unterdrückten Fluch, als die Person zu stolpern schien. Ein Mann. Elliot? Klar. Warum sollte er nicht hier sein?
Mein Herz klopfte vollkommen unkontrolliert. Ich wollte mich noch hinter die Tür flüchten, aber es war schon zu spät. Er musste meine Bewegung wahrgenommen haben und stand bereits in der Tür, ein Handtuch locker um die Hüfte gewickelt. Als er mich sah, riss er erschrocken die Augen auf.
»Sasha!«
Es war Glen.
41. Kapitel
»Ich kann alles
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