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Wer nichts hat, kann alles geben

Wer nichts hat, kann alles geben

Titel: Wer nichts hat, kann alles geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Rabeder
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Herbst von meiner Marktnachbarin, einer Kunsthandwerkerin, verabschiedete und sagte, wir würden uns dann im kommenden Frühjahr wiedersehen, erwiderte sie: »Warum kommt ihr nicht auch zur Vorweihnachtszeit? Da macht man doch das große Geschäft.« Auf meine Frage, was wir da denn verkaufen sollten, Trockenblumen seien zu Weihnachten ja wahrscheinlich nicht der große Renner, antwortete sie: »Dir wird schon was einfallen.«
    Gemeinsam mit meiner Mutter überlegte ich, was wir anbieten konnten. Bald kamen wir auf die naheliegende Idee, es mit Gestecken zu versuchen, die wir aus Tannenreisig und Zapfen anfertigten. Wir bemühten uns aber, die Produkte etwas pfiffiger und kreativer aussehen zu lassen als die, die man überall sah.

    Die ersten verkauften wir schon zu Allerheiligen, und als wir merkten, dass auch die gut ankamen, verbrachten wir viele Abende damit, uns von den Tannennadeln die Hände zerstechen zu lassen, und standen in den Wochen vor Weihnachten wieder an unserem Stand. Die Bilanz am Ende dieses Jahres: zerschundene Hände, dafür aber ein stattlicher Gewinn.
    Im Jahr danach bauten wir unser Sortiment sukzessive aus. Wo früher Tomaten- und Pilzkartons lagen, präsentierten wir nun Trockenblumen im Sommer und Dekorationsartikel wie Tannengestecke und Stoffpuppen aus Jute im Winter. Wir beauftragten Floristinnen und Heimarbeiterinnen, die Produkte nach unseren Vorgaben anzufertigen, und verkauften sie an unserem Marktstand.
    Und dann stellte mir eines Tages der Zufall einen amerikanischer Van vor die Nase. Er fuhr direkt vor unserem Stand vor, ein überdimensioniertes Ding in dunklem Grau, aus dem zwei Männer sprangen – eine Szene wie aus einem Mafiafilm. Das war eine der Schlüsselszenen, die aus meinem Marktstand ein Millionenunternehmen machen sollten.
    Der Chef dieser Truppe war ein lustiger Kerl, ein Riese mit Muskeln, wie sie auch den Besuchern des Römerberg-Studios alle Ehre gemacht hätten. Umso putziger waren die Produkte, die er an seinem Stand gleich neben unserem verkaufte: Figuren aus zusammengeklebten Flusssteinen. Er war genauso ein Selfmade-Unternehmer wie ich, deshalb hatten wir von Beginn an eine gemeinsame Ebene. Er fahre demnächst
auf eine Messe, auf der Großhändler ihre Produkte ausstellen, erzählte er mir. Ob wir uns dort nicht einen Stand teilen wollten – er mit den Steinfiguren, ich mit den Stoffpuppen? Warum eigentlich nicht, dachte ich mir in guter Familientradition.
    Und so standen wenige Wochen später zwei Männer wie Bodyguards einer Jutepuppen-Garde an einem Gemeinschaftsstand in einer Messehalle in Salzburg. Am Schluss hatten wir einige Aufträge im Buch stehen, fuhren bester Laune nach Linz zurück und beschlossen, auch in Zukunft zusammenzuarbeiten. So vermittelten wir uns gegenseitig Kunden und fuhren gemeinsam zu Messen.
    Mein Unternehmen wuchs Stück für Stück, ganz organisch. Je größer unser Sortiment wurde und an je mehr Orten wir die Waren verkauften, umso höher stieg unser Umsatz: Oft konnten wir an einem Tag das absetzen, was meine Großeltern mit Gemüse in einem ganzen Monat erwirtschaftet hatten. Irgendwann sagte ich: »Ich will 5000 Schilling am Tag Umsatz machen.« Das war relativ schnell erledigt. Doch da hatte meine Mutter schon geglaubt, ich spinne. Dann sagte ich: »An die 5000 eine Null dranzuhängen, würde auch funktionieren. « Und spätestens da dachte sie nun, ich sei total übergeschnappt. Aber auch das funktionierte.
    Drei Jahre, nachdem wir uns auf dem Markt in Linz über den Weg gelaufen waren, beschloss mein Kompagnon, nach Australien auszuwandern. Er bot mir seine Firma zum Verkauf an – wobei »Firma« eine Übertreibung war, denn sie bestand noch immer aus nicht
viel mehr als ihm, seiner Frau und deren Schwester. Dennoch war der Kaufpreis, den ich dafür investieren musste, für meine Verhältnisse sehr hoch. Ich wusste aber, dass seine Firma diesen Preis wert war.
    Diese nach außen hin wenig sichtbare Vergrößerung unserer eigenen Firma – fortan standen neben den Jutepuppen eben auch Steinfiguren – hatte für mich eine entscheidende Veränderung zur Folge. Denn damit schafften wir endgültig den Einstieg in den Großhandel : Unsere Kunden waren von nun an nicht mehr die Linzer Hausfrauen vom Südbahnhofmarkt, sondern Supermarktketten, die uns die Produkte in größerer Menge abnahmen. Damit eröffneten sich auch in meinem Kopf ganz neue Perspektiven. Ich fragte mich: Was werden uns die Händler dort am ehesten

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