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Wer nichts hat, kann alles geben

Wer nichts hat, kann alles geben

Titel: Wer nichts hat, kann alles geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Rabeder
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bringen, ohne dass man dabei nennenswerte Gewinne verzeichnen könnte.
    Während einer Vorlesung erklärte ich deshalb meinem Professor: »Wissen Sie, bei mir läuft das ganz anders. Ich habe eine zwar kleine, aber gutlaufende Firma. Und wir haben von Beginn an Gewinne gemacht.
« Ich erlaubte mir, ihn zu fragen, ob auch er eine Firma habe, in der er praktische Erfahrungen sammeln könne, und wie es da so laufe.
    Nein, entgegnete er mit leicht rotem Kopf, er habe noch nie eine Firma gehabt, das sei aber auch gar nicht nötig. Meine Antwort darauf habe ich ihm und mir erspart : »Wie können Sie Wirtschaft unterrichten, wenn Sie noch nie Wirtschaft betrieben haben?« Der Mann kam mir vor wie ein katholischer Pfarrer, der über seine Erkenntnisse in Sachen Familie und Sexualität doziert. Also ließ ich den Professor in Linz weiterpredigen, ohne dabei ständig von mir unterbrochen zu werden, und kümmerte mich von Leonding aus darum, die Theorie zu widerlegen.
    Unserem kleinen Häuschen wuchs der Erfolg bald bis schier übers Dach. Nach und nach belagerten die Kartons mit unseren Produkten jedes Zimmer. Nur das Schlafzimmer blieb tabu. So sehr mich meine Arbeit auch erfüllte, bis in den Schlaf hinein sollte sie mich dann doch nicht verfolgen können. Die Nachwirkungen der Botschaft meines Großvaters waren insofern noch erkennbar, als ich zwar nur noch selten den Tag Tag, dafür aber immer die Nacht Nacht sein ließ. Ich folgte ihr stattdessen auf eine andere Weise: Die Arbeit unserer Firma war von Anfang an so organisiert, dass wir ein halbes Jahr lang so hart arbeiteten, wie ich das einst von meiner Großmutter vorgelebt bekommen hatte, dafür aber das andere halbe Jahr umso mehr unsere Freizeit genossen. Es war also sozusagen nur eine Halbjahresmühle, in die wir uns steckten.

    Hochsaison war für uns die Vorweihnachtszeit, wenn es sich die Menschen in ihren Häusern gemütlich machen, indem sie Tannenkränze auf die Tische legen und dazu Kerzen anzünden. Darauf war der Großteil unseres Sortiments ausgerichtet, zum Teil mit Artikeln, die ich selbst alles andere als schön fand: Kerzen in Orchideenform zum Beispiel oder welche mit Folkloremotiven.
    Der Einstieg in den Supermarkthandel hatte sich für uns als wertvoller Türöffner herausgestellt: In den folgenden Jahren bauten wir unsere eigenen Stände in den Supermärkten hinter der Kasse auf. Auf diese Weise konnten wir den Kunden unser Sortiment genau so anbieten, wie wir das für richtig hielten – so verbreitete sich ein Stück Linzer Südbahnhofmarkt-Atmosphäre über ganz Österreich. Die Kunden stürmten geradezu unsere Verkaufsstände und sorgten Jahr um Jahr dafür, dass wir weder Weihnachten noch Silvester feierten, weil wir dafür viel zu beschäftigt und zu kaputt waren.
    Die Monate vorher waren jeweils knochenhart – mit Tagen, an denen wir, wenn wir mal nur zehn Stunden arbeiteten, das Gefühl hatten, richtig früh Feierabend machen zu können. Die Regel waren eher vierzehn bis achtzehn Stunden. Meine Devise war immer: Wenn wir arbeiten, dann mit voller Kraft. Dafür können wir dann aber auch die ruhigen Frühlings- und Sommermonate auskosten, wenn in der Firma eh fast nichts zu tun ist. Dahinter steckte natürlich auch purer Egoismus: Ich brauchte die Zeit ja zum Segelfliegen.

    Mit meinem eigenen Flugzeug, einem »Standard-Jantar«, war ich so gut wie jede freie Minute in der Luft, ich trainierte meine Sicherheit genauso wie meine Intuition. Es war ein Flieger von der eher ungemütlichen Sorte: Er verzeiht kaum Fehler und verlangt die volle Konzentration des Piloten. Man muss den Himmel sehr genau beobachten und die unsichtbaren Kräfte zu erspüren versuchen, um mit ihm sicher durch die Luft gleiten zu können. Die kleinsten Turbulenzen können bei zu geringer Eigengeschwindigkeit dazu führen, dass das Flugzeug zu einer der beiden Seiten wegkippt und ins Trudeln gerät.
    Dafür belohnt es den Piloten, der es zu bedienen weiß, mit dem Gefühl, eins zu sein mit den Kräften des Himmels. Wer sich als Vogel begreift, setzt sich ungern den Elementen aus, er liebt es, sie als Freunde zu nutzen und als Partner. Wenn man weiß, wie, ist der Jantar dafür ein wunderbares Werkzeug. Außerdem ist er vergleichsweise günstig. Auch das war für mich damals ein wichtiges Argument, als ich mir ihn im Alter von nur 22 Jahren gekauft hatte.
    In dieser Zeit gewöhnte ich mir an, meine Entscheidungen in der Luft nach dem Prinzip der größtmöglichen

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