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Wer nichts hat, kann alles geben

Wer nichts hat, kann alles geben

Titel: Wer nichts hat, kann alles geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Rabeder
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abkaufen? Und meine Antwort lautete: Dinge, die das Wohlbefinden ihrer Kunden steigern.
    Wie ich als Segelflieger in der Luft in meinem Element war, war ich es als Unternehmer zum ersten Mal genau an diesem Punkt. Es war weniger die Freiheit von Vorgaben und Regeln, die die Selbstständigkeit für mich so reizvoll machte. Ganz im Gegenteil: Ich selbst setzte mir die striktesten Regeln, die man sich vorstellen kann, um unseren Kunden hohe Qualität und perfekten Service gewährleisten zu können. Tage, an denen ich zwölf, dreizehn Stunden arbeitete, waren keine Seltenheit, sondern eher die Norm.
    Was mich so begeisterte, war die Autonomie, selbst entscheiden zu können, mit welchen Produkten ich meine Kunden glücklich machen wollte. Das Erfüllende
am Kreativen ist für mich, diejenigen zufriedenzustellen, die meine Waren kaufen sollen. Deren Geschmack habe ich zu treffen und deren Wünsche zu erfüllen. Ich versuche, mich in sie hineinzuversetzen, um auf die richtigen Ideen zu kommen. Wenn ihre Augen dann strahlen, habe ich alles richtig gemacht. Ob mir selbst der jeweilige Artikel gefällt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Es zählt allein, die Bedürfnisse derer befriedigt zu haben, die etwas von mir kaufen wollen.
    Die Konsumindustrie geht leider oft genug nach genau dem umgekehrten Prinzip vor: Sie denkt nicht an die Bedürfnisse ihrer Kunden und entwickelt danach ihre Produkte, sondern sinniert darüber, womit sich in einer Gesellschaft, die eigentlich schon alles hat, noch Geld verdienen lässt, und versucht dann, in den Kunden ein Bedürfnis danach entstehen zu lassen. Doch weil ein hoher Sättigungsgrad vorliegt, muss dieses Bedürfnis jedes Mal aufs Neue mit großem Aufwand künstlich erzeugt werden. Die Werbung versucht, uns im Fernsehen, auf großen Plakatwänden, im Radio, in Zeitungen und im Internet weiszumachen, dass wir nur dann zu glücklichen, erfolgreichen und ausgeglichenen Menschen werden, wenn wir diese Reise unternehmen, jenes Auto fahren und diese Lebensmittel konsumieren. Nur um dann, wenn wieder neue Produkte auf den Markt kommen, die nächste Konsumsau durchs Dorf zu jagen.
    Dabei stimmt das genaue Gegenteil: Wer versucht, sich das Glück durch Konsum von außen zuzuführen, verhält sich wie jemand, der unter unreiner Haut leidet
und sie mit teurer Schminke übermalt. Meist wird das Leiden unter der Farbschicht nur noch schlimmer, und abgeschminkt ist der Anblick umso grausiger.
    Ich dagegen befand mich in der glücklichen Situation, nur über Produkte nachdenken zu müssen, die die Menschen von innen heraus zum Strahlen bringen sollten. Und ich hatte das Glück, mit meinem Gespür dafür relativ oft richtig zu liegen. Es ist eine wunderbare Position für einen Kaufmann, jemandem nicht einreden zu müssen, was er braucht, sondern ihm das zu liefern, was er möchte.
    Ehrlicherweise muss ich aber zugeben: Wenn es nicht Menschen gegeben hätte, die den Ideen, die mein Kopf beinahe unablässig ausspuckte, Ordnung und Struktur verliehen hätten, wäre die Firma »Karl Rabeder Kunsthandwerk«, wie ich sie genannt hatte, nie so erfolgreich geworden. Allen voran war es meiner Mutter als Buchhalterin und meiner späteren Frau Irene zu verdanken, dass unsere Firma so schnell wachsen konnte.
    Irene und ich lernten uns im Tanzlokal »Oldies« kennen, das nichts weiter war als ein Kellerraum mit spärlicher Beleuchtung und der obligatorischen Discokugel unter der Decke. Ich hatte den einen Keller gegen den anderen eingetauscht: Weil meine Gelenke nicht willens gewesen waren, meine Bodybuilding-Eskapaden mitzutragen, musste ich das Gewichtestemmen schon nach relativ kurzer Zeit wieder sein lassen. Und wären diejenigen, mit denen ich an den Wochenenden im sieben Kilometer entfernten Traun das
»Oldies« besuchte, ähnlich kreativ gewesen wie meine Kraftkollegen aus Linz, wäre aus Karl, dem »Bein«, wohl irgendwann Karl, das »Tanzbein«, geworden, so wie ich die Frauen zu Rock ’n’ Roll durch die Gegend warf.
    Irene fiel mir eines Abends auf, weil sie inmitten ihrer Studienkolleginnen saß und sich ständig die Nase putzte. Anders als meine männlichen Kollegen, die sie bei den Aufforderungsrunden deshalb sitzen ließen, fand ich sie süß und sprach sie an. Wir tanzten miteinander, stellten fest, dass sie gerade ein Lehramtsstudium absolvierte, und trafen uns in den darauffolgenden Wochen ein paarmal. Ganz langsam und beinahe selbstverständlich wurden wir ein Paar. Irenes Traum war es

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