Wer nichts hat, kann alles geben
Neuseeland teilgenommen, damals galt die Devise: »Dabei sein ist alles.« Jetzt aber wollte ich meine Fähigkeiten auch im Rahmen eines solchen Wettbewerbs unter Beweis stellen. Je selbstbewusster ich im Cockpit geworden war, umso mehr hatte sich mein auf Leistung getrimmtes Denken im Geschäftsleben auch auf die Segelfliegerei übertragen. Ich hatte es zugelassen, dass aus meinem Hobby ein Leistungssport wurde. Ich beschäftigte mich mehr und mehr mit der Frage, wie ich auch in der Luft meine Leistung steigern konnte.
Meine technischen Fähigkeiten waren irgendwann gut genug ausgereift. Worum es mir deshalb ging, war meine Psyche. Ich wollte wissen: Welche Methoden helfen mir dabei, beim Fliegen wacher und aufmerksamer zu sein als meine Konkurrenten, welche Grundlagen kann ich entwickeln, um in den entscheidenden Momenten einen Tick früher als sie die richtige Entscheidung zu treffen, die mir den kleinen, am Ende aber siegbringenden Vorsprung verschafft?
Die Basis für diese Neugier war bereits während meines Studiums gelegt worden, als ich beim Einschreiben für das Lehramtsstudium die Tochter eines Segelflugkollegen kennenlernte. Sie war es, die mein Interesse für psychologische Fragestellungen geweckt hatte. Wir
sprachen oft darüber, mit welchen Techniken man seinen Geist trainieren konnte und was die wirksamen Methoden von den wirkungslosen unterschied. Mit der Zeit begriff ich, dass der Geist wie ein Muskel funktioniert und sich ebenso trainieren lässt wie Oberschenkel oder Bizeps. Und genauso wie ich davon fasziniert gewesen war, meine Muskeln zu formen, begeisterten mich nun die Möglichkeiten des Mentalen. Nachdem ich das Bodybuilding gesundheitshalber aufgegeben hatte, begann ich deshalb gewissermaßen mit dem »Mindbuilding«: Ich trainierte nicht mehr im Kellerstudio, sondern im Oberstübchen.
Somit war der Acker schon gepflügt, als ein Segelflugkollege mit mir über die Möglichkeiten sprach, meine fliegerischen Fähigkeiten zu verbessern – und damit einen neuen Samen in die vorbereitete Erde warf. Dieser Mann war ein begnadeter Meteorologe, auf dessen Voraussagen wir uns stets verlassen konnten. Er war aber nicht nur ein Meister darin, den Himmel zu studieren, mit geschultem Blick erschloss er den Spitzenpiloten in Österreich auch neue Pfade in ihrer Psyche. So berichtete er mir von einem Seminar, an dem er teilgenommen hatte, und schlug mir vor, mich dafür auch anzumelden. Es war ein Grundkurs in »Neuro-Linguistischer Programmierung«, kurz: NLP.
Mir ist klar, dass es gegenüber dieser Methode viele Vorbehalte gibt. Zu oft wurde sie zu manipulativen Zwecken missbraucht, zu oft haben sich Menschen ihrer bedient, um sich auf Kosten anderer selbst zu nutzen. Doch nicht die Methode an sich ist in meinen
Augen das Problem, sondern deren Verwendung. Es ist wie beim Schießpulver: Wenn man es verwendet, um einen Felsen zu sprengen und anschließend einen Tunnel hindurchzugraben, ist es eine gute Sache. Wenn es allerdings eingesetzt wird, um Projektile abzufeuern, die Menschen töten, so verwandelt es sich in etwas Bösartiges.
Die Tatsache, dass NLP eine wirksame Methode war, faszinierte mich. Ich wollte sie erlernen und ethisch sauber in meinem Sport einsetzen. So besuchte ich Ende der achtziger Jahre von Neugier getrieben mein erstes Seminar und durfte erleben, dass NLP mir ein paar wertvolle Erkenntnisse vermitteln konnte, die weit über das Segelfliegen hinaus ihre Wirkung entfalteten.
Was mich diese Methode lehrte, war die Fähigkeit, für das, was ich von der Welt wahrnahm, die passenden Begriffe zu finden. Ich bin von Natur aus Kinästhet, also ein Mensch, der übers Fühlen wahrnimmt und sich bevorzugt auch so ausdrückt. Daher war ich sehr gut darin, Dinge zu erspüren und mich in bestimmte Gefühlswelten hineinzuversetzen. Nur weil mir das so gut gelang, konnte »Karl Rabeder Kunsthandwerk« ja so erfolgreich werden. Früher hatte ich dafür umso größere Schwierigkeiten damit, für diese Empfindungen die passenden Worte zu finden. Ich spürte etwas, brauchte aber sehr lange, um es auch benennen zu können. Diese Unfähigkeit hatte zur Folge, dass ich mich gegenüber meiner Umwelt nur schwer mitteilen konnte. Viel schwerer aber wog, dass
ich mich auch mir selbst gegenüber kaum mitteilen konnte.
Ich bin zwar überzeugt davon, dass wir in unserer Gesellschaft der Sprache viel zu viel Bedeutung beimessen. 95 Prozent der Kommunikation findet nonverbal statt, und anstatt diese 95
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