Wer nichts hat, kann alles geben
Qi-Gong-Übungen, betreibe Zen-Meditation oder setze mich mit einer Tasse Kaffee in die Natur, um die Bilder, Geräusche, Gerüche und Energien aufzusaugen. Und dann erst geht’s frisch und erfüllt an die Arbeit.
Ich achte sehr genau darauf, dass ich mein Leben so wenig wie möglich nach dem Geldverdienen ausrichte. Das bedeutet nicht, dass ich Geld verteufle, sondern dass ich bewusst damit umgehe, sowohl damit, wie es auf der einen Seite hereinkommt, als auch damit, wie es auf der anderen Seite wieder hinausgeht. Bewusster Umgang mit Geld bedeutet für mich deshalb vor allem zu beschließen: Wie viel meiner Energie bringe ich fürs Geldverdienen auf und wie viel für die anderen Dinge, die mir zusätzlich wichtig sind? Es ist doch ein Irrsinn, wenn die Menschen fast hundert Prozent ihrer Energie im Job vernichten und im restlichen Leben nur seelenlose, energielose Hüllen übrig bleiben, die abends wie in Trance nach Hause fahren und dort vor dem Fernseher einschlafen.
Oft höre ich den Einwand, dass ich ja leicht daherreden könne, ohne Familie, die ich ernähren müsste, für niemand anderen verantwortlich als für mich selbst. Aber wie bitte schön sollen das diejenigen machen, die einem klassischen 1000-Euro-Job nachgehen, um ihre Familie über die Runden zu bringen? Die können
ja wohl nicht alles einfach hinschmeißen, ohne zu wissen, wie es weitergehen soll. Meine Antwort darauf lautet: Jeder hat eine auffällige Stärke. Es mag sein, dass unsere Gesellschaft noch nicht so weit ist, alle diese Stärken in Geld aufzuwiegen. Sie sind aber nichtsdestotrotz sehr wertvoll. Und früher oder später zahlt das Leben dafür auch zurück – in Geld oder anderen Energieformen, die noch viel wichtiger sind.
Es erfordert natürlich viel Mut, einen unbefriedigenden Job hinzuwerfen, ohne zu wissen, wie viel Geld im neuen Leben zur Verfügung stehen wird. Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, sich zu fragen, an welchen Stellen man Geld einsparen kann, wenn man eine solche Entscheidung trifft. Jeder muss sich die Frage stellen, was er wirklich braucht. Ich bin sicher: Wer sein Leben gründlich durchforstet, wird viele Einsparmöglichkeiten finden, die ihm auf den ersten Blick gar nicht auffallen. Wir haben uns so sehr ans Geldausgeben gewöhnt, dass es uns zunächst unmöglich erscheint, auf bestimmte Dinge zu verzichten. Doch haben wir uns erst einmal zu einem solchen Schritt entschieden, fällt uns oft auf, wie wenig wir diese Dinge vermissen.
Mein eigener Neubeginn hatte bei mir aber nicht nur Auswirkungen auf das Leben am Boden, sondern auch auf das in der Luft. Ich sagte mir irgendwann: Es gibt so viele andere spannende Dinge, die ich in diesem Leben als Vogel noch erleben möchte, dass sich das nicht damit verträgt, auch in den kommenden dreißig Jahren das Segelfliegen so intensiv zu betreiben
wie in den zurückliegenden. Segelfliegerisch habe ich bei weitem noch nicht alles erlebt. Ich hätte mir vornehmen können, meine Intuition beim Segelfliegen so weit zu perfektionieren, dass ich nahezu ein vollendeter Segelflieger werden würde. Stattdessen wollte ich noch einfacher, noch vogelähnlicher fliegen, in noch direkterem Kontakt mit der Natur. So kam ich zum Gleitschirmfliegen. Meine Begeisterung fürs »Fetzenfliegen«, wie man es in Österreich auch nennt, habe ich einer Frau zu verdanken, die zwischenzeitlich in mein Leben platzte und es ordentlich durcheinanderwirbelte.
Kennengelernt hatten wir uns schon in der Zeit, in der ich mich von Irene trennte, allerdings nur im Virtuellen. Wegen unserer Begeisterung fürs Fliegen waren wir im Internet aufeinander aufmerksam geworden und hatten uns über unsere jeweiligen Ausprägungen des »Vogelseins« ausgetauscht, sie als begeisterte Gleitschirmpilotin, ich als ebenso fanatischer Segelflieger. Wir spürten beide schnell, dass wir auf einer Wellenlänge waren, und wechselten zum Telefon. Die Gespräche entwickelten sich so vertraut und herzlich, dass wir uns treffen wollten.
Dazu kam es aber nicht, denn kurz davor sagte sie ab. Chiara, mehr als ihren Vornamen kannte ich damals nicht, sagte mir, dass sie so viel in ihrem Leben zu lösen habe, selbst noch so viele Antworten zu finden, dass ein Treffen mit mir zu früh komme. Ich möge bitte Verständnis haben. Und so verschwand sie aus meinem Leben genauso schnell, wie sie hineingeraten war.
Es dauerte sieben Jahre, bis ich wieder von ihr hörte. Ganz unvermittelt auf einem Berg oberhalb von Innsbruck, auf
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