Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
Dumme am Bloggen, dachte ich. Ich war beschäftigt gewesen, aber nicht nützlich. Bei einer Zeile in Eleanors Buch zuckte ich zusammen: »Große Geister sprechen von Ideen, durchschnittliche Geister sprechen von Ereignissen, kleine Geister sprechen über Leute.« Ich war jahrelang dafür bezahlt worden, Klatsch über irgendwelche Leute zu schreiben.
Ich legte die Autobiografie beiseite und sah ein weiteres Buch aus dem Stapel ragen. Es war ein bescheidenes kleines Ratgeberbüchlein mit dem Titel You Learn By Living: Eleven Keys for a More Fulfilling Life . Der Klappentext lautete: »Die Frau, die man einst die First Lady der Welt nannte, beschreibt ihre eigene Lebensphilosophie und führt den Leser damit zu Selbstvertrauen, Bildung, Reife und mehr.« Ich drehte das Buch um und betrachtete Eleanors Foto auf dem Cover. Sie war ungefähr Mitte vierzig, trug einen Pelzmantel und eine dreireihige Perlenkette und lächelte kühn in die Kamera. Vielleicht war sie nicht schön, aber sie war so glamourös und selbstsicher – ganz anders als das unsichere Kind, von dem ich gerade noch gelesen hatte. Mir wurde klar, dass ich genau den entgegengesetzten Weg eingeschlagen hatte. Als ich jünger war, war ich kühn, aber statt mich im Laufe der Jahre immer neuen Herausforderungen zu stellen, hatte ich bedrohliche Situationen einfach aus meinem Leben eliminiert. Ich beschloss, dass ich mir Eleanors Lebensgeschichte näher zu Gemüte führen musste, und steuerte mit den Autobiografien und dem Ratgeber auf die Kasse zu.
Am nächsten Tag im Café las ich You Learn by Living in einem Rutsch durch. Als ich fertig war, blätterte ich noch einmal zum Kapitel namens »Angst – der große Feind« zurück und las es sorgfältig ein zweites Mal. Eleanor bezeichnete die Angst als große Antriebskraft in ihrem Leben. »Ich war ein außergewöhnlich schüchternes Kind, hatte Angst vor der Dunkelheit, Angst vor Mäusen, Angst vor so gut wie allem. Ich lernte auf schmerzhafte Art, Schritt für Schritt jeder meiner Ängste mutig entgegenzutreten und sie zu besiegen, um mich dann mit diesem hart erkämpften Mut der nächsten zu stellen. Erst dann war ich wirklich frei«, schrieb sie.
Ich lehnte mich zurück, und mein Blick fiel auf die Tafel. Das Eleanor-Zitat war weggewischt und durch einen Ausspruch von Maya Angelou ersetzt worden. Aber ich wusste es trotzdem noch auswendig. Tu jeden Tag etwas, was dir Angst macht.
Wenn Eleanor ihren Lebenszweck darin fand, dass sie ihre Ängste besiegte, konnte mir diese Vorgehensweise vielleicht helfen, neue Pläne für die Zukunft zu schmieden und als kleine Dreingabe meine Freundschaften zu retten und meine Beziehung wiederzubeleben. Vielleicht war es ganz sinnvoll, wenn ich mir überlegte, was ich nicht tun wollte, um herauszufinden, was ich eigentlich tun wollte. Zumindest gäbe es mir ein Ziel, ein Gefühl von Sinnhaftigkeit, wenn ich pro Tag eine meiner Ängste besiegen würde.
Während ich You Learn by Living las, kam es mir vor, als würde Eleanor direkt zu mir sprechen. »Die unglücklichsten Menschen auf der Welt sind diejenigen, die ihre Tage verbringen, ohne zu wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen. Wenn man jedoch mehr Projekte als Zeit hat, wird man niemals ein unglücklicher Mensch sein. Es ist eine Frage der Fantasie und der Neugier, aber man muss auch wirklich ernstgemeinte Pläne schmieden.«
»Wie lange würdest du das dann machen?«, erkundigte sich Matt, als ich ihn anrief und ihm von meiner Idee erzählte.
Als Bloggerin hatte ich alle halbe Stunde eine Deadline, und meine Arbeit hatte sich irgendwie immer oberflächlich und gleichzeitig unfertig angefühlt. Jetzt wollte ich ausreichend Zeit dafür haben, mich meinem Projekt zu widmen. So viel Zeit, dass ich nicht in meine alten Gewohnheiten zurückfiel, sobald es vorüber war – aber auch nicht so viel Zeit, dass ich darüber ausbrannte.
»Ich gebe der Sache ein Jahr, und zwar ab meinem neunundzwanzigsten Geburtstag.« Mein Dreißigster schien mir ein naheliegender Endpunkt für mein Experiment.
»Ein Jahr ?«, wiederholte er ungläubig. »Ich bin ja für alles zu haben, wofür du dich wieder aus dem Haus bewegst, Schatz, aber hast du dir das wirklich gut überlegt? Wovon willst du denn überhaupt leben?« Das Problem war, dass Matt aufgrund seiner Reportertätigkeit grundsätzlich den Advocatus Diaboli spielen musste. Das brachte ein anderes Problem hervor, nämlich, dass ich aufgrund meiner Sturheit noch vehementer an
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