Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)
tränke, etwa eine Million Jahre auskommen. Wenn man dort in der Gegend ist, erst in einen Apfel beißt und dann mit offenem Mund in eine Säule hineinfliegt, kommt man am anderen Ende vermutlich mit einem sehenswerten Calvadosfetzen [13] wieder heraus.
Um allerdings in die Nähe der Säulen zu gelangen, muss man weit fliegen. Sie sind fast zehn Lichtjahre lang und etwa ein Lichtjahr breit und 7000 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt. Wegen der gigantischen Entfernung und der Zeit, die das Licht für die Reise von dort zu uns benötigt, gibt es Spekulationen, dass wir die Säulen zwar noch beobachten können, sie aber bereits weggeblasen sind. Insofern wäre wieder alles in Ordnung mit der Namensgebung: Dunkelwolken sind dunkle Objekte, die es vielleicht gar nicht mehr gibt.
Aber, leider, da kommt schon der nächste Spielverderber daher, und die These, dass alles, was in der Physik dunkel und schwarz heißt, unbekannt und ungewiss ist, wankt gehörig. Ladies and Gentlemen, give a big hand to: Dark Life aka Dunkles Leben.
Dunkles Leben, das ist kein Euphemismus für das Treiben in einem gutbesuchten Dark Room, sondern der Name für eine besondere Lebensform. Unter uns Menschen leben jede Menge Bakterien. Aber nicht nur solche, die wir uns in der jährlich wiederkehrenden Grippezeit gegenseitig ins Gesicht niesen, sondern auch solche, die kein Licht zum Leben brauchen. Buchstäblich unter uns, bis zu fünf Kilometer unter unseren Füßen, in vollkommener Dunkelheit, im Erdinneren, leben Bakterien, deren Stoffwechsel ganz ohne Sonnenlicht funktioniert. Zum Teil handelt es sich dabei um Steinefresser, sie verdauen aber auch anorganische Verbindungen, beispielsweise Schwefel-, Eisen-und Manganverbindungen. Und es sind viele. Über 50 Prozent der Biomasse der Erde befindet sich als Dunkles Leben unter der Erdoberfläche. Immer wenn Umweltschutzorganisationen auf Pressekonferenzen das Artensterben beklagen, wird dabei ein Großteil der Lebewesen gar nicht berücksichtigt. Was macht das Dunkle Leben dort unten? Warum kommt es nicht herauf und sagt wenigstens grüß Gott? Niemand weiß es.
Die Fähigkeit, unter der Erdoberfläche ohne Photosynthese zu existieren, hat Spekulationen ausgelöst, ob das Leben auf der Erde nicht überhaupt aus der Tiefe gekommen ist. In ihren jungen, wilden Jahren, vor etwa 4,5 Milliarden Jahren, war die Erde eine Zeitlang permanent Meteoriteneinschlägen ausgesetzt, die ein Leben auf der Oberfläche unmöglich machten. Die Erde war zunächst ein Lavasee. Lavasee klingt romantisch, ist aber viel zu heiß zum Baden. Erst nach etwa einer halben Milliarde Jahren reduzierte sich die Zahl der Meteoriteneinschläge und die Erdoberfläche kühlte langsam ab. Aber noch immer zu heiß zum Baden, noch immer erst knapp unter 100 Grad Celsius. Es bildete sich zwar eine harte Kruste, trotzdem gab es noch genügend Bereiche, aus denen heiße Lava aus dem Inneren der Erde an die Oberfläche quoll. Durch Entgasung und über Vulkane gelangten Gase und Wasser auf die Oberfläche. Danach begann es zu regnen, mindestens 40.000 Jahre durchgehend. Einerseits praktisch, 40.000 Jahre lang derselbe Wetterbericht, andererseits kann man sich das Hallo vorstellen, als nach 39.999 Jahren und 359 Tagen die erste Sechs-Tage-Prognose durchgegeben wurde: endlich den Schirm daheimlassen können.
Das klingt alles sehr unwirtlich für unsere Ohren, aber im Vergleich zu den Gegenden, an denen in den letzten Jahren Leben entdeckt wurde, war die Erdoberfläche von damals für solche Bakterien schon fast ein Urlaubsparadies. Einfaches Leben auf der Erde hat man im Kühlwasser von Kernreaktoren entdeckt, in ausgetrockneten Salzseen, in eisbedeckten antarktischen Seen, in Schwefelsäurebädern von Erzminen, in der Nähe von vulkanischen Heißwasserschloten der Tiefsee und eben im Inneren von Tiefengestein bis zu fünf Kilometer unter der Erdoberfläche.
Und wenn dort Leben existieren kann, dann kann es das vielleicht auch in anderen unwirtlichen Gegenden unseres Sonnensystems. Etwa auf dem Mars. Wer allerdings glaubt, auch die Menschheit könne dereinst auf den Mars auswandern, wenn sie die Erde einmal ruiniert hat, der sollte das Kleingedruckte des Mietvertrags noch einmal genau lesen.
Der Luftdruck auf dem Mars beträgt nur etwa ein Prozent von dem auf der Erde, was zu wesentlich größeren Temperaturunterschieden führt. Sie liegen zwischen minus 85 Grad Celsius in der Nacht und 5 Grad Celsius am Tag. Im Winter ist es am
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