Wer nie die Wahrheit sagt
ähneln. Seien Sie nicht respektlos und gehässig, Lily, ich mag das nicht. Ich bin gerne bereit, Ihnen die Köpfe der Frasiers auf einem Silbertablett zu servieren. Was mehr könnten Sie verlangen?«
»Sie könnten mich und Simon mit den Bildern meiner Großmutter gehen lassen.«
»Jetzt benehmen Sie sich nicht wie ein Kind! Passen Sie genau auf, denn es ist wichtig. Ich erwarte von einer Frau vor allem Gehorsam. Ich bin sicher, Ian wird mir helfen, Ihnen Manieren beizubringen und Ihre scharfe Zunge im Zaum zu halten.«
»Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, Olaf, und Sie sind ein sehr, sehr alter Mann. Selbst wenn Sie noch in dieser Woche sterben würden, könnte ich mich nicht dazu überwinden, hier zu bleiben.«
Er schlug mit der Faust auf den Rollstuhl, so dass er einen Satz machte. »Verdammt, Sie werden tun, was man Ihnen sagt. Müssen Sie erst die Leiche Ihres Liebhabers sehen, bevor Sie ihn loslassen? Bevor Sie akzeptieren können, dass er wirklich tot ist?«
»Er ist nicht mein Liebhaber.«
»Das bezweifle ich. Sie sprechen über ihn, als sei er eine Art Held, als könne er alles schaffen. Das ist Unsinn.«
»Nicht in Simons Fall.« Sie wünschte, sie könnte wirklich glauben, dass er alles schaffen konnte, selbst wenn es Unsinn war. Aber sie hoffte so inbrünstig, dass Simon nicht tot war. Er hatte es ihr versprochen, und er würde sein Wort nicht brechen. Als sie ihn vor zwei Stunden mitnahmen, hatte er behutsam ihr Gesicht in seine Hände genommen und geflüstert: »Mir wird nichts passieren. Verlass dich drauf, Lily.«
Und sie hatte zusehen müssen, wie ihn die drei Männer aus dem wunderschönen Anwesen führten, wie die Tür hinter ihnen zufiel, hatte Olaf Jorgensons Rollstuhl leise durch die große Schachbretthalle auf sich zurollen hören.
Olaf riss sie aus ihren Gedanken. »Sie werden ihn vergessen. Ich sorge dafür.«
Sie warf einen Blick auf die beiden Bodyguards, die vollkommen reglos dastanden. Beide hatten sie aus dem Esszimmer begleitet.
»Wussten Sie, dass ich einen ganz unglaublichen Bruder habe? Sein Name ist Dillon Savich. Er malt nicht wie unsere Großmutter, aber er schnitzt. Er macht wundervolle Stücke.«
»Der Zeitvertreib eines Jungen. Ohne Wert für jemanden mit Kultur und Urteilsvermögen. Und Sie verbringen Ihre Zeit mit dem Zeichnen von Cartoons. Wie heißen sie noch? Remus?«
»Ja, ich zeichne politische Cartoons. Sein Name ist der Aalglatte Remus. Er ist vollkommen amoralisch, wie Sie, aber bis jetzt hat er noch nie den Wunsch verspürt, jemanden umzubringen.« Sie hielt kurz inne, dann lächelte sie dem reglosen Kammerdiener zu. »Ich bin wirklich gut im Cartoonzeichnen. Ist es nicht interessant, wie das Talent unserer Großmutter Wege fand, in uns, den Enkelkindern, weiterzuleben?«
»Sarah Elliott war einmalig. Es wird nie wieder eine wie sie geben.«
»Der Meinung bin ich auch. Und es wird nie wieder eine Cartoonzeichnerin wie mich geben. Auch ich bin einmalig. Aber was sind Sie, Olaf? Außer ein besessener alter Mann, der schon viel zu lange viel zu viel Geld und Macht besitzt? Sagen Sie mir, was haben Sie je Wertvolles in Ihrem jämmerlichen Leben geschaffen?«
Sein Gesicht wurde krebsrot; sein Atem kam nur noch stoßweise. Der Kammerdiener blickte erschrocken drein. Die beiden Bodyguards richteten sich unwillkürlich auf. Ihre Blicke wechselten nervös zwischen Lily und ihrem Boss hin und her.
Sie konnte einfach nicht anders. Heiße, ohnmächtige Wut brodelte in ihr, sie hasste dieses abscheuliche Monster. Ja, sollte ihm ruhig eine Ader platzen vor Wut; sollte er ruhig einen Schlaganfall kriegen und krepieren. Das war die gerechte Strafe dafür, was er ihr, was er Simon angetan hatte. »Ich weiß, was Sie sind – Sie sind einer von diesen artistes manqués, einer von diesen traurigen Figuren, die nie wirklich gut genug sind, die immer nur Mitläufer sein können, die Szene immer nur von außen beobachten können. Sie haben nicht mal ’ne gute Imitation abgegeben, stimmt’s? Ich wette, meine Großmutter hielt Sie für bemitleidenswert, für erbärmlich, richtig? Ich wette, Sie hat Ihnen gesagt, was sie von Ihnen hielt, nicht?«
»Halt’s Maul!« Er begann wüste Verwünschungen auszustoßen, aber auf Schwedisch, also verstand Lily ihn nicht. Die Bodyguards wurden noch nervöser, waren überrascht über das, was der Alte, ihr Boss, da mit Schaum vor dem Mund von sich gab.
Lily hielt nicht den Mund. Sie redete einfach über ihn hinweg,
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