Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
oft von ihm erzählt. Weißt du nicht mehr, wir sind zusammen aufs MIT gegangen und haben im letzten Jahr dort sogar in einem Zimmer gewohnt.«
    »Kann sein«, sagte Lily kühl. »Aber was will er mit meinen Bildern?«
    »Weiß ich noch nicht. Er ist ein ganz großes Tier in der Kunsthändlerszene. Ihn habe ich angerufen und gefragt, was Großmutters Bilder heutzutage wert sind.«
    »Ich erinnere mich an Sie«, sagte sie zu Simon. »Ich war sechzehn, als Sie mit Dillon an Weihnachten in eurem senior year nach Hause kamt. Wieso wollen Sie meine Bilder gar so dringend sehen?«
    Simon konnte sich auch an sie erinnern, bloß dass sie jetzt eine erwachsene Frau war und nicht mehr der hektische, drahtige Teenager mit der flinken Zunge, der versucht hatte, ihn um hundert Piepen zu erleichtern. Er erinnerte sich nicht mehr, worum es dabei gegangen war – irgendeine Sportwette oder so, aber er wusste noch sehr gut, dass sie es auch geschafft hätte, ihm das Geld aus dem Kreuz zu leiern, wenn ihn ihr Vater nicht gewarnt und gesagt hätte, er solle sein Geld lieber stecken lassen.
    Simon war nicht taub. Das Misstrauen, ja die Abneigung in ihrem Ton waren unüberhörbar. Aber wieso sollte sie was gegen ihn haben? Sie kannte ihn ja nicht mal, hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Und wie dieses Fohlen von damals sah sie auch nicht mehr aus. Noch immer wie eine Märchenprinzessin, das schon, aber diese erwachsene Märchenprinzessin sah aus, als wäre sie unter die Räder gekommen – erschreckend bleich, Schatten unter den Augen. Die Haare, die dringend mal gewaschen werden mussten, hatte sie zu einem rattenartigen Pferdeschwanz zusammengebunden. Außerdem brauchte sie ein wenig mehr Fleisch auf die Rippen, um ihre Klamotten auch auszufüllen. Die Gute strahlte ihre Antipathie gegen ihn ja fast wie eine Flutwelle ab, eine Tsunami, die ihn förmlich ertränken sollte. Wieso bloß?
    »Haben Sie Schmerzen?«, fragte er und trat rasch einen Schritt näher.
    Lily blinzelte ihn verblüfft an und wurde noch kleiner in ihrem Sessel. »Was?«
    »Haben Sie Schmerzen? Ich weiß, dass Sie erst letzte Woche operiert wurden. Muss hart sein.«
    »Nein«, sagte sie und sah dabei noch immer so aus, als wollte sie jeden Moment ausholen und ihm einen Magenschwinger verpassen. Dann wurde Lily plötzlich klar, dass sie überhaupt keinen Grund hatte, ihn zu hassen. Er war der Freund ihres Bruders, nichts weiter, kein Grund, vor ihm Angst zu haben. Er war hier, um sich ihre Bilder anzuschauen.
    Der Herrgott bewahre sie vor gut aussehenden Männern, die scharf auf ihre Bilder waren. Zwei waren mehr als genug gewesen.
    Sie versuchte es mit einem Lächeln, damit er sie nicht länger so verwirrt ansah.
    Also was sollte das jetzt wieder?, dachte Simon, wandte sich auf dem Absatz um und ging dorthin, wo der kleine Sean zum Halten gekommen war und mit großen Augen zu ihm aufblickte, einen durchweichten Grahamcracker in der linken Faust. Mund, Kinn und Hemdchen waren voller feuchter Brösel.
    »Hallo, du Held«, sagte Simon und ging vor Seans Walker in die Hocke.
    Sean hielt ihm den durchweichten Cracker hin.
    »Tja, das lasse ich mal lieber.« Er warf einen Blick über seine Schulter. »Zahnt er noch immer?«
    Diese Frage beantwortete Sherlock. »Ja, noch ein Weilchen. Lass dich bloß nicht von ihm anfassen, Simon, oder du bereust es. Dieses Jackett, das du da anhast, ist vielleicht doch ein wenig zu schade, um mit nassen Crackern und Spucke bekleckert zu werden.«
    Simon lächelte nur und streckte zwei Finger aus. Sean schaute die beiden Finger an, kaute jetzt ungestüm auf seinem Grahamcracker und stieß sich mit den bestrumpften Füßen ab. Der Walker flog nur so auf Simon zu. Dieser war so überrascht, dass er rückwärts auf den Hintern kippte.
    Lachend richtete er sich auf die Knie auf und streichelte Sean über den rabenschwarzen Schopf. »Du wirst mal ein richtiger Mordskerl, was? Bist jetzt schon ein ganz Gefährlicher, hast mich richtig umgemäht. Gott sei Dank hast du die unglaublichen blauen Augen deiner Mama, sonst würdest du jedermann einen Heidenschreck einjagen, so wie dein Daddy.« Sich zu Lily umdrehend fragte er: »Wer von euch ist denn nun das Kuckuckskind, Sie oder Savich?«
    Savich lachte und half Simon schwungvoll auf die Füße. »Sie ist das Kuckuckskind der unmittelbaren Familie. Aber sie sieht aus wie Tante Peggy, die einen reichen Geschäftsmann geheiratet hat und jetzt wie eine Prinzessin in Brasilien lebt.«
    »Na, wenn das

Weitere Kostenlose Bücher