Wer nie die Wahrheit sagt
Bärenkopf schüttelnd. »Ich wünschte wirklich, Sie hätten mich nicht gefunden.« Dann wandte er sich um und ging.
»Warten Sie!«, rief Lily hinter ihm her.
Simon ergriff sie am Ärmel und zog sie zurück. »Lass ihn gehen, Lily.«
In der Tür stehend, sahen sie zu, wie die große Kawasaki anfuhr, immer schneller wurde und schließlich verschwunden war. ’
»Wir haben’s verbockt«, sagte Simon.
»Ich wünschte, er wäre dageblieben und hätte gegen mich gekämpft«, meinte Lily.
Simon sah sie an und musste daran denken, wie sie ausgesehen hatte, in Kampfstellung, mit dem Bild in der rechten Hand. Er grinste. Sanft berührte er ihre Haare. »Du bist blond und blauäugig, dürr wie ein Zaunpfahl, deine Jeans schlabbert dir am Hintern, und ich kenne dich erst seit ganz kurzer Zeit, aber schon jetzt weiß ich, dass du mehr Mut als Verstand hast. Ich schwör dir, wenn ich Savich erzähle, wie seine kleine Schwester sich beinahe mit Abe Turkle angelegt hätte, dann … Nein, ich sag’ ihm besser nicht, wie ich dich beinahe in einen Kampf verwickelt hätte. Ach, Scheiße.«
Lily versetzte ihm einen Magenschwinger. »Du Idiot. Und du hast einfach nur dagestanden.«
Simon grunzte, rieb sich mit der Hand den Magen und grinste sie an. »Ich hoffe, da ist jetzt nichts gerissen. Bei dir, nicht bei mir.«
»Vielleicht ist es das, und das wäre deine Schuld.«
Sie sprach erst wieder mit ihm, als sie im Wagen saßen und sich auf den Weg nach Hemlock Bay machten.
»Fahren wir jetzt zu Tennyson?«
»Nein, vorher gibt’s noch andere Fische zu frittieren.«
WASHINGTON D.C.
Das Hoover-Gebäude
Fünfter Stock, Abteilung
für gezielte Täterermittlung
Es war ein Uhr nachmittags. Leeres Sandwicheinwickelpapier lag überall auf dem Konferenztisch verstreut, und ein vager Geruch nach Tunfisch und Roastbeef hing in der Luft; mindestens ein Dutzend leerer Getränkedosen standen he rum. Gerade war man mit dem täglichen Update-Meeting fertig geworden. Savichs Stellvertreter, Ollie Hamish, sagte zu den um den CAU-Konferenztisch versammelten Bundesbeamten: »Ich fliege morgen früh nach Kitty Hawk, North Carolina. Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass er nicht nur den Namen des richtigen Wilbur angenommen, sondern auch geraume Zeit in seiner Heimatstadt gelebt hat. Wahrscheinlich geht er aber nicht nach Dayton, da dort jeder nach ihm Ausschau hält, sondern nach Kitty Hawk. Ich habe alle Daten zu den Profilern rübergeschickt, zu Jane Bitt. Mal sehen, was sie noch hinzuzufügen hat, aber das wär’s dann erst mal.
Ich werde unser Büro dort unten aufsuchen, alle auf den neuesten Stand bringen und alles für sein mögliches Auftauchen vorbereiten.«
Savich nickte. »Klingt gut, Ollie. Keine angeblichen Sichtungen des Gurus mehr in Texas?«
»Doch, schon«, meinte Ollie, »aber darum sollen sich die örtlichen Agenten kümmern. Unsere Leute hier glauben, Guru Wilbur ist bereits auf dem Weg nach North Carolina. Wir haben sämtliche Büros im Süden alarmiert. Vielleicht kriegen wir ihn ja, bevor er nach Kitty Hawk kommt. Vielleicht ist Kitty Hawk ja seine letzte Anlaufstelle, und wir wollen doch nicht, dass er wie ein in die Enge getriebenes Tier dort wer weiß was anrichtet. Mal sehen, was Jane Bitt dazu sagt.«
Sherlock meinte: »Haben wir irgendwelche Fotos?«
»Das einzige Foto, das wir haben, ist alt und verschwommen, leider. Aber wir sehen zu, dass wir mehr bekommen.«
Spezialagent Dane Carver, ein neues Mitglied der Einheit, schlug vor: »Wieso gibst du nicht mir das Foto, Ollie, mal sehen, was ich damit machen kann. Vielleicht können wir’s im Labor ja ein bisschen aufpolieren.«
»Gemacht.«
Savich blickte in die Runde. »Sind jetzt alle auf dem Laufenden?«
Zustimmendes Grunzen, Nicken und Stöhnen.
Mühe, die CAU-Sekretärin, fragte: »Was ist mit Tammy, Dillon? Schon irgendwas gesehen? Irgendwas gehört?«
»Nein, noch gar nichts. Ist auch erst einen Tag her, seit ich mit Marilyn Warluski in Quantico gesprochen habe. Unsere Leute sind auf Tony angesetzt, Marilyns Freund in Bar Harbor. Sein Telefon ist angezapft. Wenn Tammy anruft, kriegen wir’s mit. Er arbeitet mit uns zusammen.« Savich hielt kurz inne und zuckte mit den Schultern. »Es ist frustrierend. Sie ist in keiner guten Verfassung, und trotzdem hat niemand sie gesehen. Alles spricht dafür, dass sie tatsächlich einen Apotheker in Souterville, New Jersey, umgebracht hat. Der andere Apotheker hat nachgesehen und festgestellt, dass jemand
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