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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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klopfte.
    Zuerst kam keine Antwort, dann ein wütender Ruf: »Wer zum Teufel sind Sie, und was zum Teufel wollen Sie?«
    »Der Künstler ist offensichtlich zu Hause«, sagte Simon mit hochgezogener Braue zu Lily und öffnete die Tür. Seine Gefährtin hinter sich haltend, betrat er die Hütte und erblickte Abraham Turkle, der hinter einer Staffelei stand, einen Pinsel zwischen den Zähnen, einen anderen in der Rechten, und sie wütend anfunkelte.
    Es gab keinerlei Möbel in dem kleinen Raum, bloß Farben und sonstigen Malbedarf, und an den Wänden lehnten mindestens zwanzig Leinwände. Überall roch es nach Farben und Terpentin und Pommes und noch irgendwas – vielleicht gebratene Schnecken. Durch eine Bar vom Raum getrennt war eine kleine Küche, und ein schmaler Gang führte wohl zu Schlafzimmer und Bad.
    Der Mann mit dem buschigen Vollbart war tatsächlich Abe Turkle; Simon hatte schon oft Fotos von ihm gesehen.
    »Hallo«, begrüßte er ihn und streckte ihm die Hand hin.
    Abe Turkle ignorierte die ausgestreckte Hand. »Wer zum Teufel sind Sie? Wer ist sie? Wieso zum Teufel versteckt sie sich hinter Ihrem Rücken? Hat sie Angst vor mir oder was?«
    Lily trat um Simon herum, streckte die Hand aus und sagte: »Ich mag Schnecken. Sie auch, wie ich höre.«
    Abraham Turkle grinste, ein breites Grinsen, das drei goldene Backenzähne enthüllte. Er hatte mächtige Schultern und Hände wie Boxhandschuhe. Er sah überhaupt nicht aus wie ein Künstler, dachte Simon. Sollte ein Künstler nicht lauter schwarze, mit Farbspritzern bekleckerte Sachen anhaben, dazu schulterlange, im Nacken zurückgebundene Haare? Abraham Turkle dagegen sah aus wie ein kanadischer Holzfäller. Er trug ein Flanellhemd und Bluejeans, dazu Schnürstiefel, die ihm fast bis zu den Knien reichten. Die obligatorischen Farbspritzer hatte er jedoch, überall, sogar auf seinem struppigen dunklen Vollbart und dem mächtigen grauen Haarschopf.
    »So«, knurrte Abe, legte die Pinsel beiseite, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab, um das bisschen Terpentin loszuwerden, und schüttelte Lilys Hand. »Die kleine Lady mag also Schnecken, was bedeutet, dass sie von mir gehört hat, aber ich weiß nicht, wer zum Teufel Sie sind, Mann.«
    »Ich bin Sully Jones, und das ist meine Frau Zelda. Wir sind in den Flitterwochen, fahren so aufs Geratewohl die Küste entlang und haben in Hemlock Bay gehört, dass Sie Maler sind und Schnecken mögen. Zelda liebt Kunst und Schnecken, also dachten wir, schauen wir mal vorbei und sehen, ob Sie was zu verkaufen haben.«
    Lily sagte: »Wir wissen noch nicht, ob uns Ihre Arbeiten gefallen, Mr. Turkle, aber könnten Sie uns vielleicht etwas zeigen? Ich hoffe, Sie sind nicht zu teuer.«
    Turkle erwiderte: »Doch, ich bin verflucht teuer. Ihr Leutchen habt’s wohl nicht sehr dicke, wie?«
    »Ich verkaufe Gebrauchtwagen. Davon wird man nicht reich«, meinte Simon.
    »Sorry, aber von meinem Zeugs wollt ihr bestimmt nichts kaufen.«
    Doch Simon nickte Abe Turkle lediglich zu und schaute ihn abwartend an.
    »Na gut, warten Sie hier.« Abe Turkle griff nach einem Lappen und wischte sich die Hände ab. Dann schritt er an ihnen vorbei zur entgegengesetzten Wand, wo etwa zehn Leinwände gestapelt standen. Er suchte sie durch, stieß hier ein unhöfliches Grunzen, dort einen Seufzer aus, und dann drückte er Lily eins davon in die Hand. »Da ist ’n kleines Bild, das ich neulich gemacht hab. Die Altstadt von Eureka. Für eure Flitterwochen, kleine Lady.«
    Lily hielt die kleine Leinwand ans Licht und starrte sie an. Endlich sagte sie: »He, ganz herzlichen Dank, Mr. Turkle. Das ist wunderschön. Sie sind ein großer Künstler.«
    »Einer der besten der Welt sogar.«
    Simon runzelte die Stirn. »Tut mir Leid, aber wir haben noch nie von Ihnen gehört.«
    »Sie sind ’n Gebrauchtwagenhändler. Wieso sollten also ausgerechnet Sie von mir gehört haben?«
    »Ich habe Kunstgeschichte studiert«, erklärte Lily. »Tut mir Leid, aber ich auch habe noch nie von Ihnen gehört. Aber ich kann sehen, wie talentiert Sie sind, Sir.«
    »Na ja, vielleicht bin ich ja nur in gewissen Kreisen berühmt.«
    »Was meinen Sie damit?«, erkundigte sich Simon.
    Abes Bierfassbrust schwoll noch mehr. »Damit meine ich, Gebrauchtwagenhändler, dass ich mir meinen Lebensunterhalt verdiene, indem ich bedeutende Werke reproduziere. Nur die Künstler selber würden merken, dass sie sie nicht selber gemalt haben.«
    »Ich verstehe nicht ganz«, sagte Lily

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