Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
Nachbarn und die knappen Aussagen des Polizeisprechers in das System ein. Bei den Worten des alten Mannes zögerte sie, entschloss sich dann aber, den Ton nicht zu verwenden. Es war etwas anderes, die Kollegen von der Presse über die Angst vor Ausländern eines alten Mannes zu informieren, als so eine Vermutung in die Welt zu posaunen. Zur Sicherheit legte sie den Ton aber auf ihrem persönlichen Speicher ab. Sollte sich der Verdacht erhärten, könnte sie ihn immer noch bringen.
Sie wählte alle Nummern der Berliner Polizeipresse und landete immer wieder auf dem gleichen Anrufbeantworter. Dann ging sie die Handynummern der Pressestellenmitarbeiter durch. Der dritte war im Dienst. Einen neuen Stand der Ermittlungen konnte der Mann nicht liefern, sagte ihr aber, dass der Tote aus Brandenburg stammte und dass Kollegen die Familie bereits informiert hätten.
Emma schrieb einen kurzen Text und ging rüber ins Aufnahmestudio. Durch große Glasfenster sah sie ins Sendestudio und in den Regieraum. Der Moderator nickte ihr zu, während er ins Mikro sprach, Susanne hingegen tat so, als habe sie sie nicht gesehen. Emma schaltete den Sendeton aus und fuhr den Regler für ihr Mikrofon hoch. Sie schaute noch einmal zu Susanne, die demonstrativ in ihren Unterlagen blätterte. Emma fragte sich, ob sie sie verärgert hatte. Dann entschloss sie sich, das Ganze zu ignorieren. Sie war nicht für die Stimmung der Kollegen verantwortlich.
Ruhig und mit dem nötigen Nachdruck in der Stimme sprach sie den Text für den Beitrag auf und speicherte ihn im Schnittsystem. Als das Datum auf dem Monitor aufleuchtete, stockte sie. Jennis Todestag. Heute vor einem Jahr hatte sich ihre Freundin erhängt. Emma starrte auf die flimmernden Ziffern. Dann drehte sie sich abrupt um und riss die Tür zum Flur auf.
Auf dem Gang sah sie Bente. Die Kollegin kam mit raschem Schritt auf sie zu und sprach dabei leise in ihr Telefon. Emma war erstaunt sie zu sehen, soweit sie wusste, hatte Bente keinen Wochenenddienst. Sie ging über den Flur in das Redaktionsbüro und ließ die Tür für sie offen. Im Büro wartete die nächste Überraschung. Chefredakteur Manfred Schneider saß am Platz des Redaktionssekretärs und sah gerade die Agenturmeldungen durch. Emma blieb vor ihm stehen.
»Was ist denn mit euch los, Bente ist auch schon im Anmarsch. Habt ihr kein Zuhause?«
Sie lachte, aber Schneider blieb ernst und scrollte weiter durch die Agenturen. Emma wurde klar, dass etwas Besonderes vorgefallen war. Bente kam herein, Emma wollte sie ansprechen, registrierte dann aber, dass die Kollegin noch immer in ihr Handy sprach. Also warf sie ihr Blatt und den Stift auf den Schreibtisch, setzte sich und wartete ab.
Bente verabschiedete sich knapp am Telefon, fuhr den Computer an ihrem Platz hoch und warf sich in den Schreibtischstuhl. Sie wandte sich an Schneider, der ihr gegenübersaß.
»Keine Bestätigung.«
Schneider verschränkte die Arme und lehnte sich zurück.
»Shit. Ich muss Schulenburg informieren.«
Emma fasste an die Ecke ihres Schreibtisches und rollte schwungvoll mit ihrem Stuhl zur Tischgruppe der Kollegen.
»Was ist los?«
Schneider sah zu ihr. Er war unrasiert, und eine Strähne seines grauen Haares hing abgeknickt über den buschigen Brauen. Mit fahrigen Bewegungen nahm er eine Lesebrille ab und strich seine Haare nach hinten, die ihm sofort wieder über die Augen fielen. Für einen Moment sah Emma ihren verstorbenen Vater vor sich. Er hatte sich mit derselben nutzlosen Geste die Haare aus der Stirn gestrichen. Schneider war ihr Onkel, der Bruder ihres Vaters. Letztes Jahr hatte er ihr nach dem Skandal in ihrer Heimatstadt Bremen eine Chance bei diesem Sender gegeben.
»Bente ist auf etwas gestoßen bei deinem Mordopfer.«
Emma sah zu der Kollegin, die mittlerweile auf der Tastatur ihres Computers tippte.
»Bei dem Toten von heute Morgen? Was?«
Bente drehte den Monitor ihres Computers so, dass die beiden auf den Bildschirm schauen konnten.
»Hier.«
Emma beugte sich gespannt zum Monitor. Bente hatte einen Internet-Blog aufgerufen, dessen Hintergrund in S chwarz-Weiß-Rot gehalten war. Mit dem Cursor fuhr sie an zahlreichen Eintragungen entlang.
»Ich bin in mehreren Blogs angemeldet, die mir automatisch melden, wenn es viel Bewegung gibt. Heute Morgen ist der Blog fast explodiert.«
Schneider setzte wieder seine Lesebrille auf und beugte sich vor.
»Was ist das für ein Blog?«
»Eine rechte Community, eingeführt von einem
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