Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
Becher.
»Ich versuch’s. Im Moment allerdings mehr als sonst. Mensch ist das heiß.« Sie nahm ein Papptablett und stellte die Becher darauf.
»Wegen der Landtagswahlen in Brandenburg?«
Bente nickte und hielt ihr das Tablett hin.
»Kannst auch abstellen. Ja, klar, da ist gerade viel Bewegung.«
Emma gab Bente ihren Kaffeebecher und nahm ihr die Brötchentüte ab.
»Glaubst du, die Rechten kommen in den Landtag?«
»Sieht leider ganz danach aus. Die Chancen sind auf jeden Fall besser als beim letzten Mal.«
Sie waren beim Aufzug angekommen. Bente drückte mit dem Ellenbogen auf den Knopf.
»2009 waren die Rechten total zerstritten. Sie sind gegeneinander angetreten und haben in den meisten Wahlkreisen nicht mal ein Prozent geholt.«
Der Fahrstuhl kam, die Türen öffneten zischend. Emma ging voraus und lehnte sich an die Seite, Bente folgte ihr.
»Jetzt haben sie mal wieder einen Deutschlandpakt geschlossen. Sie treten in den einzelnen Wahlkreisen nicht gegeneinander an. Die meisten Gegenden hat die Rechte Liga übernommen. Diese Partei hat zur Zeit einen ungeheuren Zulauf in Brandenburg. Sie führen einen sehr geschickten Wahlkampf.«
Die Türen schlossen sich. Emma sah ihr verzerrtes Spiegelbild an der Rückwand der Kabine. Sie drehte ihren Kopf zur Seite.
»Was heißt das?«
»Ein gemäßigter Teil tingelt über die Dörfer. Da kommen die Spitzen der Partei jedes Wochenende und schütteln Hände.«
Bente verlagerte das Tablett auf ihren linken Arm.
»Und eine radikalere Gruppe sorgt für Aktionen. Rechtsrockkonzerte, Demos, Pöbeleien.«
Emma beobachtete Bente. Sie sah fast zufrieden aus. War es eine Genugtuung für sie, dass ihr Thema, der Rechtsradikalismus, wieder in den Top-Nachrichten vorkam? Sie schob den Gedanken beiseite. Laut fragte sie:
»Ein rechtsradikaler Lehrer – wenn das stimmt, ist das doch ein Riesenskandal! Aber geht so was eigentlich? Muss der als Beamter nicht so eine Art Führungszeugnis abgeben?«
Bente zuckte die Achseln:
»Nicht jeder Lehrer ist verbeamtet. Und selbst wenn – vielleicht war er nicht offiziell in der Partei. Die Frage ist doch auch – wusste das sein Umfeld – die Leitung der Schule zum Beispiel, oder die Eltern seiner Schüler? Und hat er bei den Kindern agitiert?«
Emma dachte an den alten Nachbarn, dem die Tränen in den Augen standen. Karin fiel ihr ein, wie sie fassungslos am Türrahmen lehnte. Und Blume – hatte Blume davon gewusst?
»Denkst du«, die Türen des Aufzugs öffneten sich zischend, und der Mann am Empfang hob den Kopf. Als er die Frauen erkannte, schien er wieder zurück in seine Starre zu fallen, Emma senkte ihre Stimme.
»Denkst du, das hat etwas mit seinem Tod zu tun?«
»Keine Ahnung.«
Bente ging vor ihr den Gang bis zu den Redaktionsräumen. Kurz vor Schneiders Tür drehte sie sich zu Emma um.
»Mitten im Wahlkampf. Die Rechte Liga wird ihn zum Märtyrer machen. Es sei denn …«
Bente klopfte, und Schneider rief sie herein. Da sie das Tablett in den Händen hatte, stieß sie die angelehnte Tür mit dem Fuß auf. Schneider stand wie üblich am Fenster und rauchte eine verbotene Zigarette. Bente stellte das Tablett auf dem vollen Schreibtisch ab und drehte sich zu Emma um.
»Es sei denn, er ist von den eigenen Leuten umgebracht worden. Diese Rechten sind voller Hass. Die glauben doch, sie können ihre eigenen Gesetze machen. Und wenn niemand sie stoppt, dann wird das extrem gefährlich.«
Berlin, Schöneberg
S ie träumte von Marlon, jede Nacht. Er stand einfach vor ihr und sah sie an. Die langen Wimpern um seine Augen hatten ihm etwas Mädchenhaftes gegeben, aber sein Körper war schmal und sehnig gewesen. Er stand im Traum vor ihr, so, wie sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Den langen Tag über sehnte sie sich nach diesem Bild, aber mit der Zeit hatte sie angefangen, die Träume zu fürchten.
Wenn der Wecker klingelte, stand sie auf, schleppte sich ins Bad und duschte sich den Schweiß der Nacht ab. Hohlwangig und blass stand sie vor dem Badezimmerspiegel. Sie hatte kaum etwas gegessen in den letzten Wochen, ihre Beckenknochen stachen aus dem Fleisch.
Sie zog sich an, ging in die Küche und drehte am Radioknopf. Ihre Hände zitterten, als sie das Kaffeepulver in die Maschine schüttete. Sie hatte noch zwei Tage, um in Form zu kommen, am Montag musste sie wieder vor der Klasse stehen und durfte sich keine Schwäche erlauben.
Mechanisch kaute sie auf ihrem Brot herum und hörte dem Moderator im Radio zu. Er
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