Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
ihr bekannt vor, aber sie wusste nicht woher. Vor den Stufen des Zeltes blieb er stehen und schien zu warten.
Rocco Schmitz schob seinen Kopf ganz nah an Emma heran und sagte leise: »Irgendwann werden wir nicht gestört, Süße. Darauf freue ich mich schon.« Dann trat er mit einer kleinen schnellen Bewegung gegen die Radkappe des Imbisswagens, drehte sich um und verschwand im Innern des Zeltes. Der alte Mann streckte vorsichtig seinen Rücken und stöhnte dabei leise. Dann machte er sich daran, wieder schwer auf seinen Stock gestützt, die Stufe am Zelteingang hinaufzusteigen.
Der Dicke blieb noch einen Moment stehen und sah Emma ängstlich an. Das Bier tropfte ihm aus den Haaren, er wischte es aus dem Gesicht. Dann steckte der Schlaks den Kopf durch die Zeltöffnung und ließ einen kurzen scharfen Pfiff hören. Der Mann zuckte zusammen. Ohne zum Zelt zu schauen, schüttelte er seinen Kopf und ging mit wankenden Schritten in Richtung Parkplatz davon. Der Schlaks starrte ihm wütend hinterher, doch dann lachte er schrill auf, spuckte in die Richtung, in die der andere gegangen war, und verschwand wieder im Zelt. Emma drehte sich zu August um.
»Warte bitte noch einen Moment.«
Sie ließ den Jungen stehen und lief zu dem Feld, auf dem die Autos parkten. Der Dicke stand an einem Auto mit der Aufschrift Fahrschule Schrandt. Er stützte sich mit der linken Hand schwer auf die Fahrertür, während er versuchte, seinen Autoschlüssel aus der Tasche zu ziehen. Emma trat langsam auf ihn zu.
»Sie sollten jetzt besser nicht fahren, Herr…«
»Schrandt heiß ick. Achim Schrandt.«
Jetzt hatte er den Schlüssel in der Hand und drückte auf den elektronischen Türöffner. Der Wagen piepte. Emma streckte ihre Hand aus.
»Geben Sie mir den Schlüssel. Sie sind doch Fahrlehrer, oder? Wollen Sie riskieren, dass die Polizei Ihnen den Führerschein abnimmt?«
Der Mann lachte, während er sich schwer in den Autositz fallen ließ. Dabei entfuhr ihm ein Rülpser, der eine Wolke von Bierdunst in Emmas Richtung wehte. Emma fuhr zurück, und der Mann murmelte:
»Entschuldigung. Aber die Bullen – nee, die haben anderes zu tun, glauben Sie mir.«
Er wollte die Autotür zuziehen, als er noch einen Moment zögerte. Mit glasigen Augen sah er zu Emma hoch.
»Danke übrigens. Wegen vorhin.«
Emma hielt die Tür fest.
»Herr Schrandt, ich wüsste gerne mehr über diese Typen, die Sie da drangsaliert haben. Können wir mal…«
Der Mann unterbrach sie lallend. »Vergessen Sie ’s. Sie sehen doch, was die mit mir machen. Hoffentlich haben die uns nicht gesehen. Und Sie verschwinden hier lieber.«
Emma wollte noch etwas sagen, aber dann entschied sie sich anders. Sie trat einen Schritt zurück, und Achim Schrandt warf die Autotür zu. Ohne sie noch weiter zu beachten, startete er den Motor und rollte langsam von der Weide. Emma sah ihm nachdenklich hinterher, bis der Wagen hinter der Wegbiegung verschwand.
August winkte Emma erleichtert zu. Er hatte sich nicht von der Stelle bewegt, seine rechte Hand lag noch immer beschützend auf dem Dach von Burschis Kiste.
Schnell ging sie auf ihn zu, hockte sich vor die Kiste und streichelte Burschi. Der Junge zerrte ungeduldig an ihrem Arm. »Können wir jetzt endlich los?«
»Natürlich.«
Im Zelt wurde jetzt laut gesungen, Emma hörte besoffene Männerstimmen, die ein Volkslied anstimmten. Jemand begann, die Internationale zu grölen, wurde aber schnell überschrien. Gläser klirrten, eine Frauenstimme kreischte. Emma beugte sich zu August und fragte leise:
»Der alte Mann, der eben hier war – weißt du, wer das war?«
August nickte. Er warf einen Blick zum Zelt und flüsterte:
»Das war der Herr Blattner.«
»Helmut Blattner? Bist du sicher?«
August zuckte wieder die Schultern und versuchte, Burschis Kiste anzuheben. Emma warf noch einen erstaunten Blick in Richtung Zelt, dann kam sie August zu Hilfe. Gemeinsam trugen sie Burschi zum Auto.
August hatte sich nach hinten zum Käfig gesetzt und starrte aus dem Fenster. Keiner sagte ein Wort. Emma überlegte, was ein Mann wie Helmut Blattner auf einem Dorffest in einem kleinen Ort in Brandenburg zu suchen hatte. Sie hatte ihn nicht erkannt, er war in den 15 Jahren seit seinem letzten großen Auftritt stark gealtert. Damals hatten er und zwei weitere westdeutsche Unternehmer die erste rechtsgerichtete Partei in Sachsen gegründet. Sie war 2004 unter großem medialem Interesse in den Sächsischen Landtag eingezogen, dann aber
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