Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
Zusammensetzung aus tatkräftigen, fruchtbaren, neugierigen, kreativen, klugen, wortgewandten und geschickten Individuen ziemlich stark gleichen.
Diese drei Beobachtungen, die sich mit dem gesunden Menschenverstand decken, erklären zu einem großen Teil den Lauf der Geschichte. Jahrtausende lang ist die gesellschaftliche Entwicklung dank unserer Vorliebe fürs Herumbasteln vorangeschritten, und zwar im Allgemeinen mit wachsender Geschwindigkeit. Gute Ideen bringen neue gute Ideen hervor, und wenn wir einmal eine gute Idee hatten, neigen wir dazu, sie nicht wieder zu vergessen. Doch mit der Biologie allein ist, wie wir sehen werden, die gesellschaftliche Entwicklung nicht zu erklären. Manchmal erlebte die gesellschaftliche Entwicklung über lange Zeitspannen einen Stillstand oder machte gar Rückschritte. Zu wissen, dass wir schlaue Schimpansen sind, ist nicht genug.
|36| Und hier kommt die Soziologie ins Spiel. 2* Die Soziologie erklärt die Ursachen, aber auch die Folgen gesellschaftlicher Veränderungen. Es ist eine Sache, wenn schlaue Schimpansen da sitzen und herumbasteln, aber eine ganz andere, wenn ihre Ideen Schule machen und die Gesellschaft verändern. Dazu ist offensichtlich so etwas wie ein Katalysator vonnöten. Der große Science-Fiction-Autor Robert Heinlein hat einmal geschrieben: »Den Fortschritt bringen nie die Frühaufsteher, sondern die Bequemen, die Faulen, die nach Mitteln und Wegen suchen, sich das Leben zu vereinfachen. Allein die Faulheit macht erfinderisch.« 8 An späterer Stelle werden wir sehen, dass dieser Heinlein-Satz nur zum Teil stimmt, Faulheit nicht die
einzige
Mutter aller Erfindungen ist und das Wort »Fortschritt« oft nur als optimistische Umschreibung dessen fungiert, was so passiert. Aber wenn wir Heinleins Aussage ein wenig konkretisieren, fasst sie in meinen Augen die Ursachen gesellschaftlicher Veränderungen so kurz und bündig zusammen, wie es nur möglich ist. Tatsächlich werde ich im Laufe dieses Buches anfangen, eine weniger plakative Version der Aussage als meinen eigenen Morris-Satz auszugeben: »Veränderungen werden von faulen, habgierigen, verängstigten Menschen bewirkt, die nach leichteren, profitableren und sichereren Wegen suchen, etwas zu tun. Und sie wissen nur selten, was sie eigentlich tun.« Die Geschichte lehrt uns, dass Veränderungen einsetzen, wenn Druck vorhanden ist.
Jeder faule, habgierige und verängstigte Mensch sucht sich das Gleichgewicht zwischen einem angenehmen Leben, möglichst wenig Arbeit und Sicherheit, das seinen Bedürfnissen am ehesten entspricht. Aber damit ist es nicht getan, weil der Reproduktionserfolg und Energieverbrauch der Menschen zwangsläufig die ihnen zur Verfügung stehenden (intellektuellen, gesellschaftlichen und materiellen) Ressourcen belastet. Gesellschaftliche Entwicklung bringt genau jene Kräfte hervor, die ihr weiteres Wachstum behindern. Ich bezeichne dieses Phänomen als Entwicklungsparadox. Erfolg erzeugt Probleme; deren Lösung bringt neue Probleme hervor. Wie sagt man doch so schön: Das Leben ist ein Jammertal.
Das immer gegenwärtige Entwicklungsparadox stellt die Menschen vor schwere Entscheidungen. Oft scheitern sie an seinen Anforderungen, und die gesellschaftliche Entwicklung stagniert oder macht Rückschritte. Manchmal jedoch sind die Menschen in einer Verbindung aus Faulheit, Angst und Habgier bereit, Risiken auf sich zu nehmen und Neuerungen anzustoßen, die die Spielregeln verändern. Wenn das nur einigen von ihnen gelingt und die meisten anderen die erfolgreichen Neuerungen annehmen, kann es einer Gemeinschaft gelingen, den |37| Ressourcenengpass zu überwinden. In diesem Fall setzt sich das Wachstum der gesellschaftlichen Entwicklung fort.
Mit solchen Problemen sehen wir Menschen uns täglich konfrontiert, und weil unsere Vorfahren im Allgemeinen auch imstande gewesen sind, sie zu lösen, hat sich die gesellschaftliche Entwicklung seit der letzten Eiszeit unaufhörlich aufwärts bewegt. Aber an manchen Punkten bildet das Entwicklungsparadox, wie wir noch sehen werden, eine massive Decke, die nur mit wirklich grundlegenden Veränderungen zu durchbrechen ist. An diesen Decken hängt die gesellschaftliche Entwicklung fest, und es beginnt ein verzweifeltes Losstrampeln. Ein Beispiel nach dem anderen wird zeigen, dass Gesellschaften, die es nicht schaffen, die Probleme, die sich ihnen in den Weg stellen, zu lösen, von einem ganzen Paket von Plagen – von Hungersnöten, Epidemien,
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