Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
es, diesen Anfang zu finden. Wie wir sehen werden, gibt es in der fernen Vergangenheit einige Punkte, an denen Wissenschaftler versucht haben, Osten und Westen in Begriffen der Biologie zu definieren. Damit haben sie verworfen, was ich in der Einleitung dieses Buchs behauptet habe, nämlich dass Menschen (in großen Gruppen betrachtet) einander ziemlich ähnlich sind, und haben stattdessen die Menschen in einem Teil der Welt als allen anderen genetisch überlegen betrachtet. Es gibt in der Tat historische Punkte, an denen man allzu leicht zu der Behauptung gelangt, eine Region sei seit unvordenklichen Zeiten allen anderen kulturell überlegen gewesen. Wir müssen solche Vorstellungen sehr genau betrachten, denn wenn wir bereits am Anfang einen Schritt in die falsche Richtung tun, werden wir die Gestalt der Vergangenheit insgesamt falsch erfassen und damit auch die Gestalt der Zukunft.
Am Anfang
Jede Kultur macht sich ihre eigene Geschichte davon, wie alles anfing, doch in den letzten Jahren haben uns Astrophysiker einige neue, wissenschaftliche Versionen geliefert. Die meisten Experten denken heute, Zeit und Raum hätten vor über 13 |50| Milliarden Jahren begonnen, sie streiten allerdings darüber, wie das geschehen sein soll. Die vorherrschende »Inflationstheorie« des Universums geht davon aus, dass dieses sich – zu Beginn nur ein Punkt von unendlicher Dichte und unendlich kleiner Ausdehnung – mit Überlichtgeschwindigkeit ausgedehnt habe. Die rivalisierende »Zyklustheorie« des Universums dagegen behauptet, dieses expandiere, seit ein zuvor bestehendes Universum kollabiert sei. Beide Schulen sind sich darin einig, dass unser Universum sich noch immer ausdehnt, wobei die Inflationisten davon ausgehen, dass es sich weiterhin ausdehnen wird, dass die Sterne irgendwann erlöschen werden und sich zuletzt unendliche Finsternis und Kälte verbreiten werden; die Zykliker dagegen behaupten, auch unser Universum werde in sich zusammenstürzen, erneut explodieren, und damit werde ein neues Universum beginnen.
Es ist schwer, diese Theorien zu verstehen, wenn man nicht Jahre der Ausbildung in höherer Mathematik absolviert hat. Zum Glück jedoch zwingt uns unsere Frage auch nicht, derart früh einzusetzen. Wie sollte es Osten oder Westen geben, solange es überhaupt noch keine Richtungen gab und auch die Naturgesetze nicht, wie wir sie kennen? Was sollte Ost und West bedeuten, wenn es unsere Sonne noch nicht gab und unser Planet noch keine Gestalt angenommen hatte? Dies geschah vor 4,5 Milliarden Jahren. Wir könnten vielleicht von Osten und Westen sprechen, sobald die Erdkruste sich gebildet hatte, zumindest aber sobald die Kontinente in etwa ihre heutige Lage eingenommen hatten, womit wir uns bereits im Zeitraum der letzten Jahrmillionen bewegen. Doch auch diese Überlegungen treffen den Punkt nicht. Im Sinn der Frage unseres Buchs können Ost und West erst dann irgendetwas bedeuten, wenn wir eine weitere Zutat in unseren Mix aufnehmen: menschliche Wesen.
Paläoanthropologen, die die Frühmenschen erforschen, streiten noch lieber als Historiker. Ihr Forschungsgebiet ist jung und entwickelt sich rapide, und immer wieder stellen neue Entdeckungen etablierte Wahrheiten auf den Kopf. Würde man zwei Paläoanthropologen in einen Raum sperren, würden sie diesen wahrscheinlich mit drei Theorien zur menschlichen Evolution verlassen, und kaum wäre die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen, wären auch diese bereits wieder überholt.
Die Grenze zwischen Menschen und Vormenschen kann nur unscharf sein. Manche Paläoanthropologen denken, dass wir, sobald wir vorgeschichtliche Affenarten entdecken, die aufrecht gehen konnten, auch von Menschen sprechen sollten. Nach fossilen Hüft- und Zehenknochen geurteilt, haben einige ostafrikanische Affen damit vor sechs oder sieben Millionen Jahren begonnen. Die meisten Experten allerdings sind der Meinung, mit einer solchen Definition liege die Latte zu niedrig. Die zum biologischen Standard gewordene Klassifikation bestimmt die Gattung
Homo
(lateinisch für »Mensch«) durch zwei miteinander verbundenen Kriterien: zum einen durch den Zuwachs des Gehirnvolumens von 400 bis 500 auf rund 630 Kubikzentimeter (unser Gehirn hat etwa das doppelte Volumen), zum anderen durch Belege dafür, dass aufrecht gehende Affen Steine gegeneinander geschlagen haben, um einfachste Werkzeuge herzustellen. Beide Prozesse begannen unter zweibeinigen ostafrikanischen Affen vor etwa 2,5 Millionen Jahren.
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