Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
1946 enthüllt worden. Er wog 30 Tonnen und verbrauchte so viel Strom, dass die Lichter in ganz Philadelphia sich verdunkelten, wenn er eingeschaltet wurde. Im Verlauf der folgenden 30 Jahre verkaufte die Firma International Business Machines, kurz: IBM, den westlichen Unternehmen kleinere, doch immer noch monströse Rechner, bis mit der Erfindung des Mikroprozessors 1971 der wahre Durchbruch gelang.
Wie so oft kamen die Erneuerer nicht aus der Mitte, sondern aus dem Dunstkreis der etablierten Elite – in diesem Fall eben nicht von einem hochrespektablen |523| Unternehmen wie IBM. Steve Wozniak, Steve Jobs und ein paar befreundete Computerfreaks bastelten in ihrer Garagenfirma in Menlo Park, einem kalifornischen Kleinstädtchen, mit einem eher lächerlichen Startkapital ihren Heimcomputer Apple I zusammen und brachten ihn 1976 auf den Markt. Bis 1982 erreichte der Umsatz von Apple 583 Millionen Dollar. IBM entwickelte, um konkurrenzfähig zu bleiben, den Personal Computer. Mittlerweile hatten zwei Studienabbrecher der Universitäten Harvard und Washington State, Bill Gates und Paul Allen, Microsoft gegründet und waren an die Westküste gezogen. Computer hielten Einzug in jedes Büro und jedes Heim. Sie wurden Jahr für Jahr preisgünstiger und bedienungsfreundlicher – und sogar zum Spaßfaktor.
Computer veränderten im westlichen Kerngebiet alles: die Unterhaltung, die Arbeit, den Handel, die Kriegführung. Bis 1985 gab es keinen Bereich des westlichen Lebens, der nicht mit Computern in Berührung gekommen wäre – anders im Sowjetimperium. So zu tun, als ob der Zug führe, war keine Option mehr.
Das Paradies des Volkes
Im Osten, wo Amerikas Klientelstaaten rasch das kommunistische China hinter sich ließen, war das nicht anders. Japan kletterte, gefolgt von Taiwan und Südkorea, schnell die wirtschaftliche Leiter hinauf, vom Plastikspielzeug der 60er Jahre, das mir als Kind so gefallen hatte, hin zu Schwerindustrie und Elektronik. Und während diese Staaten aufstiegen, übernahmen andere asiatische Nationen – Singapur, Malaysia, Thailand – ihre Plätze. Im ganzen Osten stiegen die Löhne, die Lebenserwartung nahm zu, die Säuglinge wurden kräftiger, größere Wohnungen füllten sich mit technischen Geräten. Es gab weit weniger Fernsehgeräte in China als in der Sowjetunion, aber die Politiker in Beijing erkannten nur zu klar die Gefahr, die sich durch die entlang ihrer Ostküste verteilten Außenposten des Wohlstands aufbaute. Diese »asiatischen Tiger«, wie man sie bald nannte, waren ein Affront. Alle hatten mehr oder weniger ein Ein-Parteien-Regime, und alle teilten Chinas konfuzianischen und buddhistischen Hintergrund. Wenn also weder Autoritarismus noch östliche Kulturtradition ein meteoritenhaftes Wachstum verhinderten, wo konnte das Problem wohl liegen, wenn nicht beim Kommunismus selbst?
Das Jahrhundert des Bürgerkrieges und der Parteikämpfe zwischen den 1840er und den 1940er Jahren hatte es China unmöglich gemacht, Japans rascher Industrialisierung zu folgen, aber nach seinem Sieg 1949 beeilte sich Mao Zedong, in Lenins Fußstapfen zu treten, und baute sein Reich als subkontinentales Imperium wieder auf. Der Frieden brachte eine enorme Dividende, und genau wie bei der Sui-Dynastie, die China im 6. Jahrhundert geeint hatte, bei den Song im 10. und den Ming im 14. Jahrhundert erholte sich die Wirtschaft wieder. Der Fünfjahresplan im sowjetischen Stil, den Mao auf den Weg brachte, als sich der Koreakrieg in einem Waffenstillstand verlaufen hatte, war weit weniger effektiv als der Kapitalismus |524| der asiatischen Tiger, aber immerhin verdoppelte er die Industrieproduktion und hob die Reallöhne um ein Drittel an. Die Lebenserwartung bei der Geburt stieg steil, von 36 Jahren im Jahr 1950 auf 57 Jahre 1957.
Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass die chinesische Wirtschaft in den 1960er und 1970er Jahren weiter stark gewachsen wäre, allein Mao, wie so viele chinesische Kaiser vor ihm, misstraute seinen Beamten. Die falschen Gesetze der Ökonomie, so verkündete er, müssten den wahreren Gesetzen des Marxismus weichen, doch seine Planer – mit ihren Rechenschiebern und Grafiken – kamen ihm verdächtig bourgeois vor. Erst durch Entfesselung des unbezwingbaren Volkswillens, befand Mao, würde das Paradies des Volkes errichtet werden können.
Mao war um 1915, als er Marx (und Herbert Spencer) las, zu geistiger Reife gelangt. Er war ein Anhänger der Theorie langfristiger
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