Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
wären, die CO 2 -Konzentra tion bis 2050 auf 450 ppm zu beschränken – etwa eine Billion US-Dollar kosten würden. Das ist viel, aber vergleichsweise unbedeutend, wenn wir die Kosten bedenken, die durch Nichtstun entstünden. Doch aufgrund der durch die Krise von 2007–09 ruinierten Staatsfinanzen schrecken viele Regierungen vor kostspieligen Programmen zur Emissionsreduktion zurück.
Trotz der offenkundigen Unterschiede zwischen Atomkrieg und Klimaerwärmung verweisen beide auf das gleiche Problem. 5000 Jahre lang waren Staaten und Großreiche die effektivsten Organisationsformen. Nun aber haben sie, seit die gesellschaftliche Entwicklung die Bedeutung der geographischen Bedingungen verändert hat, deutlich an Effektivität verloren. Thomas Friedman hat das 1999 sehr hübsch auf den Punkt gebracht: »Wir können die Unterschiede zwischen den beiden Globalisierungsperioden folgendermaßen zusammenfassen: Wenn die erste Globalisierungsrunde [etwa 1870–1914] die Welt von ›Large‹ auf ›Medium‹ schrumpfen ließ, dann läßt die aktuelle Runde [seit 1989] sie auf ›Small‹ zusammenschnurren.« 42 Sechs Jahre später war der Schrumpfungsprozess so weit fortgeschritten, dass Friedman eine neue Phase gekommen sah: »Globalisierung 3.0«. »In dieser neuen Phase«, schreibt er, »schrumpft die Welt von einem kleinen zu einem winzigen Gebilde und zugleich wird das Spielfeld eingeebnet«. 43
In dieser winzig und flach gewordenen Welt gibt es keinen Platz, etwas zu verstecken. Atomwaffen, Klimawandel, Terrorismus, Migration, Finanzen und Nahrungsmittel – all das sind globale Probleme, die globale Lösungen fordern. Staaten, die nur in ihren eigenen Grenzen über Souveränität verfügen, können sie nicht wirkungsvoll angehen.
Noch unter dem Eindruck der beiden Atombomben, die Hiroshima und Nagasaki in Schutt und Asche gelegt hatten, verwies Einstein im Gespräch mit einem Journalisten der
New York Times
auf die offenkundige Lösung: »Die einzige Rettung der Zivilisation und der menschlichen Gattung liegt in der Schaffung einer Weltregierung.« Natürlich mokierte man sich über den weltfremden Wissenschaftler, darum legte er nach: »Wenn die Idee einer Weltregierung nicht realistisch ist, dann gibt es nur eine realistische Aussicht für unsere Zukunft: die völlige Vernichtung der Menschen durch Menschen.« 44
Blickt man zurück auf die letzten 15 000 Jahre, dann hat Einstein die Richtung der geschichtlichen Entwicklung offenbar korrekt beurteilt. Von der Steinzeit bis zu den frühen Staaten wie Uruk und dem der Shang, von frühen Reichen wie Assyrien und das der Qin bis zum weltumspannenden Britischen Imperium gab es einen Trend zu immer größeren politischen Einheiten. Das logische Resultat scheint der Aufstieg eines weltumspannenden amerikanischen Imperiums zu Beginn |585| des 21. Jahrhunderts zu sein – oder, wenn das ökonomische Pendel gegen den Westen ausschlägt, ein weltumspannend-chinesisches Imperium Mitte oder Ende dieses Jahrhunderts.
Ein Problem allerdings steckt in dieser Logik. Größere politische Einheiten sind bislang stets durch Kriege entstanden – und das soll die von Einstein geforderte Weltregierung ja gerade verhindern. Wenn es tatsächlich nur einer Weltregierung möglich sein sollte, einen künftigen Atomkrieg zu verhindern, und wenn die einzige Möglichkeit, eine Weltregierung entstehen zu lassen, in einem chinesischamerikanischen Krieg liegen sollte, dann stünden die Chancen schlecht.
Glücklicherweise trifft keine dieser Voraussetzungen wirklich zu. Seit 1945 haben nicht- und suprastaatliche Organisationen mehr und mehr Funktionen übernommen. Das reicht von karitativen Initiativen und NGOs über multinationale Unternehmen bis zu internationalen Organisationen wie der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und der Welthandelsorganisation, die in staatliche Hoheitsrechte eingreifen. Natürlich bleiben die einzelnen Staaten die Garanten der Sicherheit (die UNO hat sich, was die Verhinderung von Kriegen angeht, als kaum effektiver erwiesen denn der Völkerbund) und der Finanzen (2008/09 mussten etliche Regierungen durch staatliche Firmenübernahmen den Kapitalismus retten). Darum werden sie in absehbarer Zeit auch nicht verschwinden. Der einzige Weg aber, die Weltendämmerung für weitere 40 Jahre zu verhindern, besteht wohl darin, die Staaten unter teilweisem Verzicht auf ihre überkommene Souveränität noch stärker in überstaatliche Organisationen einzubinden.
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