Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
Faktors misslingt. Die Chancen stehen nicht gut.
|587| Was uns erwartet
Einige Wissenschaftler glauben bereits zu wissen, wer das Rennen macht. Die Antwort, sagen sie, stehe in den Sternen. Irgendwann um 1950 (keiner erinnert sich an den genauen Tag) trafen sich der Physiker Enrico Fermi und drei seiner Kollegen zum Mittagessen im Los Alamos National Laboratory in New Mexico. Nachdem sie sich über eine Karikatur des
New Yorker
amüsiert hatten, die eine fliegende Untertasse zeigte, gingen sie zu konventionelleren wissenschaftlichen Themen über. Plötzlich platzte Fermi heraus: »Aber wo sind sie?« 46
Fermis Kollegen brauchten ein, zwei Augenblicke, bis ihnen klar war, dass er noch immer an die Besucher von fremden Sternen dachte. Während des Essens waren ihm ein paar Überlegungen durch den Kopf gegangen. Selbst dann, wenn nur ein verschwindend kleiner Teil der 250 Milliarden Sterne unserer Galaxis Planeten hätte, auf denen die Entstehung von Leben möglich wäre 1* , müsste das All doch voll sein mit Außerirdischen. Die Erde ist – bezogen auf das Alter der Galaxis – relativ jung, weniger als fünf Milliarden Jahre alt, also könnten manche dieser Wesen einen sehr viel älteren Stammbaum haben und sehr viel weiter entwickelt sein als wir. Selbst wenn ihre Raumschiffe so langsam wären wie unsere, hätten sie höchstens 50 Millionen Jahre gebraucht, um das ganze Milchstraßensystem zu erkunden. Also, wo sind sie? Warum haben sie keinen Kontakt mit uns aufgenommen?
1967 präsentierten die Astronomen Josef Schklowski und Carl Sagan eine ernüchternde Lösung für das Fermi-Paradoxon. Wenn auch nur jeder 250 000. Stern von einem bewohnbaren Planeten umkreist wird, dann, so berechneten sie, gäbe es in der Milchstraße potenziell eine Million extraterrestrische Zivilisationen. Die Tatsache, dass wir keinerlei Spuren von ihnen haben 2* , könne, so die beiden Astronomen, nur bedeuten, dass fortgeschrittene Zivilisationen sich stets selbst zerstörten. Und zwar müsse das jeweils innerhalb von 100 Jahren nach der Erfindung von Atomwaffen geschehen, andernfalls nämlich hätten die Außerirdischen genügend Zeit gehabt, den Kosmos mit Signalen zu füllen, die wir auffangen könnten.
Wenn wir dieses Argument auf unseren eigenen Planeten anwenden, dann spräche alles für eine Weltendämmerung im Jahr 2045, dem 100. Jahrestag der Bomben über Hiroshima und Nagasaki. (Es ist irgendwie verstörend, dass Kurzweil ausgerechnet für 2045 auch das Erreichen der Singularität prognostiziert hat.)
|588| Trösten wir uns mit dem Gedanken, dass die Antwort, wie das Große Rennen ausgehen wird, nicht in den Sternen steht, sondern in unserer Geschichte liegt. Selbst wenn die Geschichtswissenschaft uns nicht die präzisen Mittel der Voraussage an die Hand gibt, die Isaac Asimov in der
Foundation -Trilogie
imaginiert hat, so versieht sie uns doch mit einigen verlässlichen Hinweisen. Und ich halte diese Hinweise für das einzige wirkliche Fundament, um vorauszuschauen.
Kurzfristig betrachtet, legen die Muster, die sich in der Vergangenheit herauskristallisiert haben, nahe, dass der Wechsel von Macht und Wohlstand von Westen nach Osten unausweichlich ist. Wahrscheinlich um 2030, so gut wie sicher um 2040 wird Chinas Bruttoinlandsprodukt das der USA übertreffen. Irgendwann im Verlauf dieses Jahrhunderts wird China die Vorteile der Rückständigkeit aufgezehrt haben, doch auch dann wird das Weltzentrum der wirtschaftlichen Schwerkraft im Osten verbleiben und nun auch Süd- und Südostasien mit umfassen.
Noch indes hat der alte westliche Kern einen gewaltigen Vorsprung an Energieausbeute pro Kopf, Technik und militärischer Macht. Während der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts wird daher der Westen seine Vorherrschaft in irgendeiner Form ganz sicher bewahren. Solange die USA stark genug sind, den Weltpolizisten zu spielen, werden größere Kriege eher unwahrscheinlich sein. Doch irgendwann ab 2025 oder 2050 wird Amerikas Vorsprung vor dem Rest der Welt schrumpfen, und damit werden sich die Instabilitäten vergrößern und die Risiken steigen: sowohl das Risiko eines neuen Weltkriegs als auch das eines atomaren Überfalls von ein paar durchgeknallten
bad guys
.
Hoffen wir auf die Weisheit der Staatenlenker und politisch-militärischen Strategen, die erforderlich sein wird, um im konfusen 21. Jahrhundert den Frieden zu bewahren und damit zumindest die Option auf die Singularität offen zu halten. Ich habe das ganze Buch
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