Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
Höhlenbären im bereits erwähnten Roman, der den Neandertalern eine entwickelte Zeichensprache zuschreibt).
Im Jahr 2001 sah es so aus, als könne die Genetik Licht in diese Angelegenheit bringen. Wissenschaftler fanden heraus, dass in einer britischen Familie, deren |66| Mitglieder über drei Generationen hinweg an einer Sprachstörung gelitten hatten, die verbale Entwicklungsdyspraxie genannt wird, auch eine Mutation des Gens FOXP2 vorkam. Dieses Gen kodiert ein Protein, das die Hirnaktivitäten beim Reden und Sprechen beeinflusst. Allerdings bedeutet das nicht, dass FOXP2
das
Sprachgen ist: Das Sprechen ist ein unendlich komplexer Prozess, an dem zahllose Gene beteiligt sind, von deren Zusammenwirken wir noch keine Ahnung haben. FOXP2 fiel den Wissenschaftlern auf, weil manchmal nur ein Glied in einer Kette fehlerhaft sein muss, um das ganze System zusammenbrechen zu lassen. (Eine Maus zerbeißt ein Zwei-Cent-Kabel, und schon springt mein 20 000-Dollar-Auto nicht an.) So können sich Funktionsstörungen von FOXP2 und die komplizierten Sprachnetzwerke des Gehirns verhaken. Wie auch immer, einige Archäologen vermuten, dass zufällige Mutationen, die FOXP2 und verwandte Gene hervorbrachten, den modernen Menschen sprachliche Fähigkeiten verschafft haben, die früheren Arten, die Neandertaler einbegriffen, fehlten.
Dann aber wurde die Sache interessant. Wie heute jeder weiß, ist die DNA – Desoxyribonukleinsäure – der Grundbaustein des Lebens, und es ist Genetikern im Jahr 2000 gelungen, das menschliche Genom zu sequenzieren. Weniger bekannt ist, dass Wissenschaftler in Leipzig bereits 1997 aus dem Armknochen jenes Neandertalerskeletts, das 1856 bei Düsseldorf gefunden wurde, die uralte DNA extrahieren konnten – eine außerordentliche Leistung, denn DNA-Ketten beginnen bereits kurz nach dem Tod zu zerbrechen, weshalb in derart altem Material nur kleinste Fragmente überdauern. Das Leipziger Team hatte gewiss nicht im Sinn, Höhlenmenschen zu klonen und einen Neandertal-Park 2* zu eröffnen, doch zwischen 2007 und 2009 wurde auch das Genom des Neandertalers sequenziert, und das wiederum führte zu einer bemerkenswerten Erkenntnis: Schon die Neandertaler hatten (was zuvor bezweifelt wurde) das Gen FOXP2.
Möglicherweise also waren die Neandertaler nicht weniger mitteilungsfreudig als wir. Es könnte aber auch sein, dass FOXP2 gar nicht der Schlüssel zu Sprachfähigkeit und -verständnis ist. Eines Tages werden wir das wohl wissen, derzeit aber können wir nur die materiellen Spuren untersuchen, die die Neandertaler hinterließen. Sie lebten in größeren Gruppen als frühere Formen von Affenmenschen, sie jagten effektiver, besetzten Territorien für längere Perioden, und sie kümmerten sich umeinander, wie dies früheren Affenmenschen nicht möglich war.
|67| Sie haben auch einige ihrer Toten ganz sorgfältig begraben, haben über ihren Toten vielleicht sogar Rituale vollzogen – die frühesten Hinweise auf die menschlichste aller Fähigkeiten, auf ein spirituelles Leben –, wenn wir die Funde denn richtig interpretieren. In Shanidar zum Beispiel sind einige Körper definitiv bestattet worden, und die Erde in einem der Gräber enthielt Pollen in hoher Konzentration, was bedeuten könnte, dass einige Neandertalergruppen den Körper eines geliebten Toten auf Frühlingsblumen betteten. Weniger romantisch ist der Hinweis anderer Archäologen: Die Grabstätte sei durchzogen von Rattengängen, und Ratten schleppten häufig Blumen in ihre Verstecke.
In einem anderen Fall, am Monte Circeo bei Rom, haben Bauarbeiter 1939 ein Grab entdeckt, das 50 000 Jahre v. u. Z. von einem Felssturz verschüttet worden war. Sie erzählten den Archäologen, dass ein Neandertalerschädel mitten in einem Kreis von Steinen auf dem Boden gelegen habe, doch hatten sie den Schädel zuvor bereits bewegt, was viele Wissenschaftler an ihrem Bericht zweifeln ließ.
Zuletzt ist da noch Teschik-Tasch in Usbekistan. Dort fand Hallam Movius (berühmt wegen der nach ihm benannten Linie) das Skelett eines Jungen, um das, wie er berichtet hat, fünf oder sechs Paar Wildziegenhörner gelegt worden waren. Allerdings hat Movius weder Lageskizzen noch Fotografien präsentiert, um Skeptiker davon zu überzeugen, dass die Hörner ein bedeutungsvolles Muster bildeten.
Wir brauchen eindeutigere Beweise, bevor wir diese Frage ad acta legen können. Ich selbst gehe davon aus, dass es keinen Rauch ohne Feuer gibt und die Neandertaler insofern
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