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Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Titel: Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Reichweite und Zerstörungskraft ihrer Schlagkraft, verfügbare Waffen und Verteidigungsanlagen sowie den Wandel all dessen, dann sind grobe Schätzungen durchaus möglich. Einer Berechnung zufolge wurde die Wirksamkeit der Artillerie zwischen 1900 und 2000 um das Fünfundzwanzigfache gesteigert, die der Panzerabwehrgeschütze um das Sechzigfache. Indem ich diese und alle anderen Veränderungen während des 20. Jahrhunderts in Anschlag bringe, setze ich das Verhältnis der Kapazitäten zur Kriegführung in den Jahren 2000 und 1900 in ein Verhältnis von 50:1, sodass der Westen fünf Punkte für das Jahr 1900 erhält, gegenüber 250 Punkten für 2000.

    [Tabelle vergrößern]
    Tabelle A.2: Die größten Städte beider Kerngebiete
    Bevölkerung der größten Siedlungen beider Kerngebiete, in Tausend (ausgewählte Daten)
    |604| Die Militärmacht des Westens um 1900 war sehr viel größer als die des Ostens, auch wenn der Abstand sicher nicht so groß war wie im Jahr 2000. 1902 verfügte die Royal Navy der Briten über Schiffe mit einer sechsfach höheren Gesamttonnage als die Kaiserliche Flotte Japans, und jede einzelne Großmacht in Europa hatte mehr Männer unter Waffen als Japan. Darum setze ich das West-Ost-Verhältnis für 1900 mit 5:1 an, sodass der Osten für 1900 nur einen Punkt erhält (gegenüber fünf Punkten für den Westen für 1900 und 12,5 Punkten für den Osten für 2000).
    Manchem wird das Maß an Subjektivität, das in solchen Berechnungen steckt, unbehaglich sein, doch der entscheidende Punkt ist, dass die militärischen Kapazitäten des Westens vor zehn Jahren so enorm groß waren, dass alle anderen Punktwerte – auch die des Westens für 1900, ja selbst die des Ostens für 2000 – notwendigerweise winzig erscheinen. Doch das bedeutet zugleich, dass auch die Fehlermarge in diesen Schätzungen winzig ist. Wir könnten einige oder alle Punktzahlen für Kriegführungskapazitäten in den Epochen bis 1900 verdoppeln, könnten sie auch halbieren, ohne dass dies eine merkliche Auswirkung auf die Gesamtpunkte für die gesellschaftliche Entwicklung hätte.
    Der Unterschied zwischen die kriegerischen Kapazitäten des Westens um 1800 und um 1900 war geringer als der zwischen 1900 und 2000, doch er war noch immer enorm groß, denn in dieses Jahrhundert fällt der Übergang aus der Welt der Segelschiffe, der Kavallerieattacken und Vorderlader in die der Sprenggranaten, der gepanzerten Dampf- und dann Dieselschiffe, dazu stand die Entwicklung von Maschinengewehren, Panzern und Kampfflugzeugen kurz bevor. Das 19. Jahrhundert steigerte die Kriegsmacht des Westens um eine ganze Größenordnung, darum gebe ich dem Westen nur 0,5 Punkte für 1800. Die Kriegführung des Westens war um diese Zeit wesentlich effektiver als die des Ostens, der darum für 1800 nur 0,1 Punkte erhalten sollte.
    Zwischen 1500 und 1800 durchlief Europa das, was Historiker gemeinhin eine »militärische Revolution« nennen, eine Revolutionierung des Militärwesens; in dieser Zeit vervierfachte sich die Effektivität der Kriegführung. Im Osten dagegen verringerte sich die Kapazität der Kriegführung zwischen 1700 (als Kaiser Kangxi |605| mit der Eroberung der Steppen begann) und 1800. Da es keine existenziellen Bedrohungen gab, versuchten die chinesischen Herrscher insofern Gewinn aus dem Frieden zu ziehen, als sie ihre Streitkräfte abbauten, sich auch um kostspielige technische Neuerungen nicht kümmerten. Die Kriegführung des Ostens war um 1800 nicht merklich effektiver als um 1500; nicht zuletzt deswegen konnten die britischen Truppen die chinesischen in den 1840er Jahren so einfach beiseite fegen.
    Das Aufkommen von Schießpulver und Schusswaffen im 14. Jahrhundert steigerte die Kriegführungskapazitäten im Osten wie im Westen, aber lange nicht so dramatisch, wie es die Erfindungen des 19. und 20. Jahrhunderts tun sollten. Die besten Armeen in Europa waren um 1500 vielleicht doppelt so effektiv wie die 500 Jahre zuvor, doch hatte das mit veränderter Logistik und Größe ebenso viel zu tun wie mit den Schusswaffen.
    Schwerer zu berechnen oder zu schätzen ist das Verhältnis, in dem die westliche Kriegführung um 1500 zu Roms großen, hochorganisierten Streitkräften stand, die noch keine Schusswaffen kannten. In einer Studie wird geschätzt, dass die Tötungskraft eines einzigen modernen Düsenbombers 500 000fach höher ist als die eines römischen Legionärs. Daraus könnten wir entnehmen, dass die westliche Punktzahl für die

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