Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
Zeitenwende bei 0,0005 Punkten liegen müsste. Doch hatte Rom natürlich erheblich mehr Legionäre als die Vereinigten Staaten Düsenbomber, sodass ich das Verhältnis von moderner westlicher und römischer Kriegführungskapazität eher auf 2000:1 schätzen, also die westliche Punktzahl für die Zeitenwende auf 0,12 festlegen würde. 1 Das macht die römische Kriegsmaschinerie zur Zeit ihrer größten Stärke zu einem ernsthaften Konkurrenten für die europäischen Heere und Flotten des 15. Jahrhunderts, trotz ihrer Gewehre und Kanonen, aber nicht für die Streitkräfte aus der Ära der »militärischen Revolution«. Das bedeutet auch, dass die römische Kriegführungskapazität in ihrem Zenit sich mit derjenigen der Mongolen messen konnte und jener der chinesischen Tang-Dynastie (618–907 u. Z.) überlegen war.
Im Osten, wo um 200 v. u. Z. Bronzewaffen noch die Norm waren, waren die Streitkräfte der Han-Dynastie (200 v. u. Z. bis 200 u. Z.) allem Anschein nach weniger effektiv als die römischen; allerdings verringerte sich Chinas Militärmacht weniger als die im Westen nach dem Alte-Welt-Austausch. Die Heere und Flotten, die die Sui (581–618 u. Z.) einsetzen konnten, um China im 6. Jahrhundert wieder zu einigen, waren sehr viel stärker als alle Truppen im Westen; und bis zur Zeit der Kaiserin Wu, um 700, wuchs der Abstand noch einmal beträchtlich.
Die Streitkräfte in den Jahrhunderten v. u. Z. waren wesentlich schwächer als die des Römischen oder des Han-Reichs. Im Osten, so nehme ich an, war vor der Zeit von Erlitou um 1900 v. u. Z. keine Streitmacht so effektiv, dass sie 0,01 Punkte erzielt hätte; im Westen dagegen werden die ägyptischen und mesopotamischen Heere diesen Wert vermutlich gegen 3000 v. u. Z. erreicht haben.
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Tabelle A.3. Kriegführungskapazitäten
dargestellt in Punkten des Index für gesellschaftliche Entwicklung (ausgewählte Daten)
|607| Informationstechniken
Aus archäologischen und schriftlichen Quellen wissen wir, welche Techniken der Nachrichtenübermittlung in den verschiedenen Epochen zur Verfügung standen, und es ist nicht schwer abzuschätzen, wie viele Nachrichten, wieviel Wissen und Informationen diese Medien übermitteln konnten, welche Reichweiten sie hatten, mit welcher Geschwindigkeit das funktionierte und über welche Entfernungen hinweg. Das eigentliche Problem besteht also darin abzuschätzen, in welchem Umfang von solchen Techniken Gebrauch gemacht wurde – was für die meiste Zeit der Geschichte auf die Frage herausläuft, wie viele Menschen lesen und schreiben konnten und welche Fertigkeit sie darin erlangt hatten.
Aus dem Mooreschen Gesetz – dem zufolge sich seit etwa 1950 die Kosteneffektivität der Informationstechniken ungefähr alle 18 Monate verdoppelt – könnte man folgern, dass die Punktzahl für 2000 etwa eine Milliarde mal höher sein müsste als die für 1900, was dem Westen für 1900 einen Punktwert von 0,00000025 eintragen würde. Doch würde das sowohl die Flexibilität älterer Formen der Wissensspeicherung (den gedruckten Büchern, denen erst jetzt in den elektronischen Medien ernsthafte Konkurrenz zuwächst) wie auch den historischen Wandel im Zugang zu den jeweils fortgeschrittensten Techniken gewaltig unterschätzen.
Das korrekte Verhältnis zwischen modernen und früheren Formen von Informationstechniken ist sehr viel geringer als eins zu einer Milliarde, doch immer noch enorm groß, und daraus wiederum folgt, dass die Punktwerte für die Zeit vor 1900 (und noch mehr die Fehlermargen für diese Zeit) noch kleiner sind als im Fall der Kriegführungskapazitäten. Andererseits sind die Zeugnisse dafür, wie viele Menschen wie gut lesen, schreiben und rechnen konnten, noch sehr viel vager als Zeugnisse für Kriegführungskapazitäten. Will sagen, meine Schätzungen sind in diesem Fall noch impressionistischer.
In Tabelle A.4 habe ich einen mehrstufigen Ansatz gewählt, um Informationstechniken zu quantifizieren.
Erster Schritt: Einer unter Historikern üblichen Praxis folgend, unterteile ich Fertigkeiten in die drei Stufen: volle, mittlere und Grundkenntnisse. Die Latte für die einzelnen Kategorien liegt niedrig – was das Lesen und Schreiben angeht, verfügt über Grundkenntnisse, wer einen Namen schreiben oder lesen kann; über mittlere Kenntnisse, wer einfache Sätze schreiben oder lesen kann; über vollständige Kenntnisse, wer zusammenhängende Prosa lesen oder schreiben kann. Die Definitionen, die die
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