Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
Afrika auf, woraus zu schließen wäre, dass die frühen Menschen gerne zeichneten. Was den Ockerstab aus der Blombos-Höhle jedoch so besonders interessant macht, ist, dass jemand vor 77 000 Jahren geometrische Muster darauf geritzt und ihn damit zum ersten Artefakt gemacht hat, bei dem unbestreitbar von Kunst zu reden ist. Zugleich ist dieser mit Ritzzeichnungen versehene Stein ein Objekt, das hergestellt wurde, um weitere Kunstwerke zu produzieren.
An allen diesen Siedlungsstätten finden wir Spuren von einer oder zwei modernen Handlungsweisen, niemals aber die gesamte Palette, die für die Zeit nach 50 000 v. u. Z. bekannt ist. Auch gibt es nicht viele Hinweise darauf, dass die modern erscheinenden Tätigkeiten sich schrittweise herausgebildet und dann durchgesetzt hätten. Langsam jedoch tasten sich die Archäologen vor zu einer Erklärung für die Trippelschritte hin zur vollständig modernen Menschheit, wobei sie den Antrieb vor allem im Klimawandel sehen.
Schon in den 1830er Jahren wurde den Geologen klar, dass die kilometerlangen, linienartig geschwungenen Gesteinsschuttablagerungen, die in Teilen Europas und Nordamerikas zu finden sind, von Eisschilden geformt worden sein müssen, die dieses Geröll vor sich her schoben (und nicht, wie man bis dahin dachte, von Wassermassen der biblischen Sintflut). Die Vorstellung einer »Eiszeit« war damit geboren, auch wenn es weitere fünfzig Jahre dauerte, bis Wissenschaftler begriffen hatten, warum es zu solchen extrem kalten Perioden kommt.
Die Umlaufbahn der Erde um die Sonne bildet keinen vollkommenen Kreis, weil die Schwerkraft anderer Planeten auch auf unseren Globus einwirkt. Im Verlauf von 100 000 Jahren wandelt sich die Form dieser Umlaufbahn von nahezu rund (wie derzeit) bis leicht elliptisch – und wieder zurück. Zudem steht die Rotationsachse der Erde nicht stabil, sondern taumelt in einem 22 000-Jahre-Rhythmus um die Senkrechte; ebenso schwankt die Neigung der Erdachse zur Umlaufbahn ( »Erdschiefe«), und zwar in einem 41 000-Jahres-Rhythmus. Diese drei Zyklen überlagern einander, und die Wissenschaft nennt das Ergebnis Milanković-Zyklen, nach dem serbischen Astrophysiker, der sie berechnet hat. Es sind also zeitvariante Muster, in denen sich die Intensität der Sonneneinstrahlung auf die Erde (die so genannte Solarkonstante) verändert. Durch die Überlagerung ergibt sich ein Rhythmus von ungefähr 100 000 Jahren, in dem die Sonneneinstrahlung schwankt: zwischen leicht überdurchschnittlicher, über das Jahr leicht ungleich verteilter und leicht unterdurchschnittlicher, etwas gleichmäßiger verteilter Energieeinstrahlung.
|73| Das alles hätte noch keine wesentlichen Folgen, würden die Milanković-Zyklen nicht in Wechselwirkung mit zwei geologischen Trends stehen. So hat erstens die Kontinentaldrift in den letzten 50 Millionen Jahren den größeren Teil der Landmassen in die Nordhalbkugel verschoben, was wiederum die Wirkung der jahreszeitlichen Unterschiede in der Sonneneinstrahlung vergrößert. Zweitens hat in derselben Periode die vulkanische Aktivität abgenommen. Es gibt – zumindest bislang noch – weniger Kohlendioxid in der Atmosphäre als zur Zeit der Dinosaurier, und darum hat sich der Planet über lange Perioden und bis vor kurzem kontinuierlich abgekühlt.
Während des größten Teils der Erdgeschichte waren die Winter kalt genug, um es über den Polen schneien und den Schnee gefrieren zu lassen; normalerweise aber ließ die Sonne dieses Eis im Sommer schmelzen. Vor 14 Millionen Jahren jedoch kühlte die Erde (aus Gründen, die noch nicht hinreichend geklärt sind) so weit ab, dass die Sonne das Eis am Südpol mit seiner großen Landmasse nicht mehr völlig abschmolz. Am Nordpol wiederum, wo es keine derartige Landmasse gibt, schmilzt das Eis zwar leichter, doch waren die Temperaturen vor 2,75 Millionen Jahren so weit gesunken, dass sich das Eis auch dort das ganze Jahr hindurch hielt. Das hatte enorme Konsequenzen. Jedes Mal, wenn die Erde, den Milanković-Zyklen entsprechend, zwar gleichmäßiger verteilte, aber geringere Sonneneinstrahlung erhielt, dehnte sich die Eiskappe am Nordpol weiter nach Europa, Asien und Nordamerika aus, band dabei mehr Wasser, ließ die Erde also trockener werden und den Meeresspiegel sinken. Gleichzeitig stieg die Menge der ins All zurückgestrahlten Sonnenenergie, wodurch die Durchschnittstemperaturen weiter sanken. Die Erde kreiselte sich in eine Eiszeit hinein, die so lange
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