Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
dauerte, bis sich der Planet wieder in eine wärmere Position hineintrudelte, neigte und drehte, und das Eis sich zurückzog.
Je nach Zählweise gab es zwischen vierzig und fünfzig Eiszeiten, und die beiden, die in die Periode zwischen 190 000 und 90 000 v. u. Z. fielen – die für die menschliche Evolution kritischen Jahrtausende –, waren besonders rau und heftig. Der Malawisee in Ostafrika etwa enthielt um 135 000 v. u. Z. nur den zwanzigsten Teil des Wassers, das er heute speichert. Die rauer werdende Umwelt muss die Regeln des Überlebens verändert haben, und das könnte erklären, warum sich Mutationen, die für ein größeres Gehirn sorgten, durchzusetzen begannen. Das könnte auch der Grund dafür sein, warum wir so wenige Siedlungsstätten aus dieser Zeit gefunden haben, weil die meisten Hominini damals vermutlich ausgestorben sind. Einige Archäologen und Genetiker gehen davon aus, dass um 100 000 v. u. Z. nur noch etwa 20 000 Vertreter unserer Gattung überlebt haben dürften.
Sollte diese neue Theorie zutreffen, dann hätte diese Populationskrise mehrere Dinge auf einmal bewirkt. Einerseits hätten sich mit schrumpfendem Genpool Mutationen leichter durchsetzen können; andererseits aber wären die kleiner gewordenen
Homo-sapiens -Gruppen
im Zweifelsfall auch leichter ausgestorben |74| und hätten jede vorteilhafte Mutation mit in den Tod genommen. Wenn es – was die geringe Zahl bekannter Siedlungsstätten aus dieser Zeit nahelegt – weniger Gruppen gegeben hat, dann müssen sich diese Gruppen auch seltener begegnet sein und damit weniger Gelegenheit gehabt haben, ihre Gene und ihr Wissen zu vereinen. Wir sollten also davon ausgehen, dass kleine Gruppen von Hominini 100 000 Jahre lang unter unfreundlichen und unsicheren Umweltbedingungen in Afrika ihr Leben fristeten. Sie begegneten einander kaum, kreuzten sich nur gelegentlich, tauschten nur selten Dinge und Nachrichten aus. In diesen isolierten Populationsinseln kam es häufig zu Mutationen, einige davon brachten Menschen hervor, wie wir welche sind, andere nicht. Einige Gruppen entwickelten Harpunen mit Widerhaken, andere fertigten Perlen, die meisten taten nichts dergleichen; und alle lebten sie unter dem Schreckgespenst der Auslöschung.
Dunkle Tage also für
Homo sapiens
. Dann aber, vor rund 70 000 Jahren, wendete sich das Blatt. Es wurde wärmer in Ost- und Südafrika und feuchter, damit das Jagen und Sammeln leichter, und mit ihren Nahrungsquellen vermehrten sich die frühen Menschen. Der moderne
Homo sapiens
hatte sich bereits seit gut 100 000 Jahren entwickelt, mit viel Versuch und Irrtum, mit Untergang und Auslöschung. Doch als sich das Klima besserte, konnten die Populationen mit den vorteilhaftesten Mutationen durchstarten. Sie pflanzten sich schneller fort als die mit kleinerem Gehirn ausgestatteten Hominiden. Es gab keine Monolithen, keinen Großen Sprung nach vorn, nur eine Menge Geschlechtsverkehr und Nachwuchs.
Innerhalb weniger Jahrtausende erreichten die frühen Menschen einen Kipppunkt, der ebenso sehr demographisch wie biologisch bestimmt war. Statt immer wieder auszusterben, wurden die Gruppen moderner Menschen groß und zahlreich genug, um in regelmäßigen Kontakt zu kommen, um Gene, Wissen und Können zu vereinigen. Nun vollzog sich der Wandel kumulativ, und die Handlungsweisen des
Homo sapiens
unterschieden sich rasch von denen anderer Affenmenschen. Und als es dazu kam, waren die Tage biologischer Unterschiede zwischen Osten und Westen gezählt.
Heraus aus Afrika – zum zweiten Mal
Klimawandel ist selten ein einfacher Vorgang, und während die Ursprungsgebiete des
Homo sapiens
in Ost- und Südafrika vor 70 000 Jahren immer feuchter wurden, trocknete Nordafrika immer mehr aus. Unsere Vorfahren, die sich in ihren Siedlungsräumen rasch vermehrten, breiteten sich nicht in diese Richtung aus, stattdessen wanderten kleine Gruppen aus dem Gebiet des heutigen Somalia über eine Landbrücke in den Süden der Arabischen Halbinsel und von dort weiter in den heutigen Iran (Abbildung 1.3) – zumindest müssen wir annehmen, dass sie dies taten. Auch wenn es nur wenig archäologische Erkundungen in Südasien |75| gibt, müssen wir wohl davon ausgehen, dass sich Gruppen moderner Menschen in diese Richtung wandten, denn um 60 000 v. u. Z. hatten sie bereits das heutige Indonesien erreicht, hatten Boote gebaut, mit diesen 50 Seemeilen offener Gewässer überwunden und waren schließlich am Lake
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