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Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Titel: Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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viel bewusstes Zutun der Menschen. So brachte das Zusammenwirken von Wölfen, Abfällen und Menschen die Tiere hervor, die wir Hunde nennen. Sie konnten die Krankheiten übertragenden Nagetiere töten, die mit ihnen um Reste konkurrierten, konnten sogar mit den wirklichen Wölfen kämpfen und sich so ihren Platz als bester Freund des Mannes verdiene – und der Frau: Um |96| 11   000 v. u. Z. wurde in Ain Mallaha eine ältere Frau so beigesetzt, dass eine ihrer Hände auf einem Welpen lag, beide waren zusammengerollt, als schliefen sie. 2*
    Das tägliche Brot
    Fortschritt, hat der Science-Fiction-Autor Robert Heinlein geschrieben, werde von »faulen Menschen« gemacht, die nach Wegen suchen, ihre Dinge leichter zu erledigen; in der Einleitung habe ich das weiter ausgesponnen zu einer allgemeinen soziologischen Theorie. Geschichte, habe ich gesagt, wird gemacht von faulen, gierigen, furchtsamen Menschen (die sich dessen, was sie tun, kaum bewusst sind), die versuchen, ihre Angelegenheiten immer einfacher, profitabler und sicherer zu regeln. Zum ersten Mal zeigte dieses Prinzip seine Wirkung im Fruchtbaren Halbmond gegen Ende der Eiszeit, und damit entstand eine eindeutig westliche Lebensweise, die eine höhere gesellschaftliche Entwicklung nach sich zog als in jedem anderen Teil der Welt.
    Vermutlich können wir die Frauen dafür loben (oder tadeln). In den heutigen Jäger-Sammler-Gesellschaften erledigen vor allem Frauen das Sammeln von Pflanzen, während die Männer fürs Jagen zuständig sind. Wenn wir bedenken, dass die Gräber von Männern mehr Speer- und Pfeilspitzen enthalten, die von Frauen dagegen eher Mahlwerkzeuge, ist das wohl auch in vorgeschichtlichen Zeiten nicht anders gewesen. Dann aber wird sich die Antwort auf die Frage, der wir bislang vor allem nachgegangen sind – ab wann und von wo an wir von einer westlichen Lebensweise sprechen sollten, die sich von anderen definitiv unterscheidet –, wohl aus der Erfindungskraft der Frauen ergeben, die vor nahezu 15   000 Jahren im Fruchtbaren Halbmond gelebt haben.
    Wildgetreide sind einjährige Pflanzen. Das heißt, in einer Saison wachsen sie, produzieren Samen und sterben ab, erst im nächsten Jahr werden aus den Samen neue Pflanzen. Wenn eine Pflanze reift, wird die Rhachis (die Hauptachse der Fruchtstände) schwächer, und eines nach dem anderen fallen die Samenkörner auf die Erde, wo ihre Schutzhaut zerplatzt und sie keimen können. Die einfachste Methode, mit der Sammler vor 15   000 Jahren solche Samen ernten konnten, bestand darin, die Pflanzen zu schütteln und die fast reifen Samen in einem Korb aufzufangen. Dabei gab es jedoch eine Schwierigkeit. Die Samen der unterschiedlichen Wildpflanzen wurden zu unterschiedlichen Zeiten reif, auch der jeweilige Standort spielte dabei eine Rolle. Kamen die Sammler zu spät an einen Standort, waren die meisten Samen bereits zu Boden gefallen, und hatten gekeimt, oder aber Vögel hatten sie gefressen. Kamen die Sammler zu früh, ließen sich die Samen noch nicht aus den Fruchtständen schütteln. In beiden Fällen war ein Großteil |97| der Ernte verloren. Natürlich konnten die Sammler einen Standort wiederholt besuchen, dann aber blieb ihnen weniger Zeit, um an andere Plätze zu ziehen.
    Wir wissen nicht, was hinter der entscheidenden Idee stand, ob Trägheit (der Unwille, von Standort zu Standort zu ziehen), Gier (der Wunsch, mehr zu ernten und zu essen) oder Furcht (vor Hunger oder davor, dass der eigenen eine andere Gruppe zuvorkommt) – irgendwer aber, wahrscheinlich eine Frau, wird den Einfall gehabt haben: Warum sollte man nicht die besten Samen aufheben und sie an einem fruchtbaren Ort aussähen? Dann, so wird sie weiter gedacht haben, könnten wir auch nach den Pflanzen schauen – die Erde umgraben, Unkraut ausziehen, die Pflanzen vielleicht sogar wässern – und uns darauf verlassen, dass die Pflanzen jedes Jahr wieder an diesem Ort auskeimen und vielleicht sogar höhere Erträge bringen werden. Das Leben wäre schön.
    Auch der erste direkte Beleg hierfür kommt aus dem Fruchtbaren Halbmond, und indirekt haben wir das der Baath-Partei zu verdanken. Denn die Bathisten, besser bekannt als Saddam Husseins mörderische politische Bewegung im Irak, haben die Macht zunächst, nämlich 1963, im Nachbarland Syrien übernommen. Nachdem sie ihre Rivalen ausgelöscht hatten, wollten sie Syrien modernisieren. Ein damit verbundenes Großprojekt war der Bau eines Staudamms am Euphrat. So entstand der

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