Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
dann nach Spanien und Frankreich, später umfasste es, sich erweiternd, England, Belgien, Holland und Deutschland. Um 1900 erfolgte der Sprung über den Atlantik, und 2000 lag das Kerngebiet fest in Nordamerika. Das im Osten bestand bis 1850 u. Z. aus den Ursprungstälern von Gelbem Fluss und Jangtse, allerdings verlagerte sich das zentrale Kraftfeld ab etwa 4000 v. u. Z. nach Norden, nach 500 u. Z. wieder zurück in den Süden, ab 1400 u. Z. erneut nach Norden. Es dehnte sich aus und umfasste um 1900 Japan, um 2000 auch Südostchina (Abbildung 3.2).
An dieser Stelle möchte ich zunächst nur festhalten, dass alle Punktwerte der gesellschaftlichen Entwicklung die Gesellschaften in diesen Kerngebieten widerspiegeln. Die Gründe, aus denen sich diese Gebiete verlagert haben, werden eines der Hauptthemen in den folgenden Kapiteln sein.
Das Muster der Vergangenheit
So viel zu den Regeln des Spiels; nun zu einigen Ergebnissen. Abbildung 3.3 zeigt die Punktwerte für die letzten 16 000 Jahre, seit Ende der Eiszeit, als die Geschichte sich warmzulaufen begann.
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Abbildung 3.2: Verschiebung der Machtzentren
Die mal langsame, dann wieder rasche Verlagerung der höchstentwickelten Kerngebiete innerhalb des westlichen (gepunktet) und des östlichen (gestrichelt) Kulturkreises seit dem Ende der Eiszeit.
Nach unserem ganzen Vorlauf, was sehen wir tatsächlich? Offen gestanden, nicht viel – es sei denn, Ihre Augen sind ein ganzes Stück besser als meine. Die Linien für Osten und Westen verlaufen so nahe beieinander, dass sie sich kaum unterscheiden lassen. Und bis 3000 v. u. Z. lösen sie sich nicht wirklich von der Grundlinie des Diagramms. Auch danach scheint sich wenig zu tun – bis vor zwei Jahrhunderten, wo beide Linien plötzlich einen fast rechtwinkligen Knick vollführen und nach oben schießen.
Das Diagramm mag auf den ersten Blick enttäuschend sein, und doch lässt es uns zwei bedeutsame Dinge erkennen. Erstens: Es hat keinen großen Unterschied zwischen der gesellschaftlichen Entwicklung im Osten und im Westen gegeben. Im Rahmen unseres Maßstabs sind beide für die meisten der Geschichtsabschnitte nur schwer auseinanderzuhalten. Zweitens: In den letzten Jahrhunderten muss etwas sehr Tiefgreifendes geschehen sein, die bei weitem schnellste und größte Veränderung in der Geschichte.
Um der Sache näher zu kommen, müssen wir die Werte anders darstellen. Das Ungemach mit der Abbildung 3.3 liegt in dem dramatischen Aufschwung beider Linien im 20. Jahrhundert. Um die Werte für das Jahr 2000 u. Z. (906,38 für den Westen, 565,44 für den Osten) auf der vertikalen Achse eintragen zu können, muss man einen Maßstab wählen, der die sehr viel niedrigeren Werte für die früheren |166| Zeiten so weit komprimiert, dass deren Bewegungen mit bloßem Auge kaum sichtbar sind. Zum Glück aber gibt es eine Methode, dieses Problem zu lösen.
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Abbildung 3.3: Punkte erzielen
Die gesellschaftliche Entwicklung im Osten und im Westen seit 14 000 v. u. Z.
Stellen wir uns vor, ich möchte eine Tasse Kaffee trinken, habe aber kein Geld. Ich leihe mir einen Dollar von einer lokalen Größe vom Kaliber des Mafiabosses Tony Soprano, der Hauptfigur der gleichnamigen TV-Serie. (Wir gehen davon aus, dies alles passiert in einer Zeit, in der ein Dollar noch gereicht hat, um einen Kaffee zu bezahlen.) Der Mann ist natürlich mein Freund, er wird mir also keine Zinsen abknöpfen. Allerdings soll ich ihm den Dollar innerhalb einer Woche zurückgeben. Sollte ich diese Frist verpassen, dann, so seine Bedingung, werden sich meine Schulden verdoppeln, und so auch mit jeder weiteren Woche. Natürlich habe ich das Geld nach der ersten Woche nicht, schulde dem Mann nun also zwei Dollar. Und weil Umsicht in Gelddingen nicht zu meinen Stärken gehört, verpasse ich auch den nächsten Termin, die Schulden steigen auf vier Dollar. Eine Woche später sind es bereits acht Dollar. Ich verschwinde aus der Stadt und vergesse unser Arrangement einfach.
Abbildung 3.4 zeigt, was mit meinen Schulden geschieht. Wie in Abbildung 3.3 ist für eine lange Zeit nicht viel zu sehen. Erst um die 14. Woche löst sich die Linie, die das Wachstum der Zinsen anzeigt, von der Grundlinie; meine Schulden betragen |167| dann aber schon atemberaubende 8192 Dollar; in der 16. Woche haben sie sich auf 32 768 Dollar hochgeschraubt, und in Woche 24, als mich die Gangster endlich aufstöbern, schulde ich ihnen geschlagene 8
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