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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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Gott nicht modisch und vorne offen, um einem ordentlichen Bauch Luft zu lassen, der wohl weitaus kleiner gewesen war, als der Anzug geschneidert wurde. Der Mann war groß und breitschultrig, hatte leichte Hängebacken, wirkte aber in Anbetracht seines geräuschlosen Auftritts überraschend leichtfüßig.
    Er hielt kurz seinen Dienstausweis hoch, und Jasmine hätte sich in den Arsch beißen können. Jim hatte doch gesagt,dass er sie eingestellt hatte, weil das geschulte Auge Polizisten und Ehemalige sofort erkennt. Das hieß wohl, dass sie noch viel zu lernen hatte.
    »Detective Sergeant McDade«, sagte er.
    Eine kalte Welle der Angst durchfuhr Jasmine, als sie kurz annahm, er sei der offizielle Überbringer einer schlechten Nachricht, aber das verging schnell wieder. Die würden niemanden zu ihr schicken, sondern zu Jims Exfrau oder zu Angela. Außerdem würde er sich dann nicht so locker geben.
    »Sie hatten doch einen Vermissten gemeldet, oder? Ihren Onkel?«
    Sie starrte ihn ungläubig an, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass so ein ranghoher Polizist sich mit dem Fall beschäftigen würde, und dazu noch so schnell, nachdem sie auf der Wache zügig (aber höflich) abgefertigt worden war.
    McDade dachte wohl, es gebe eine Verwechslung.
    »Sie sind doch Jasmine Sharp, oder?«, versicherte er sich.
    »Ja. Tut mir leid, ich dachte nur … Sergeant Collins hatte mir keine großen Hoffnungen auf eine Reaktion gemacht.«
    McDade nickte, als hätte er nichts anderes erwartet.
    »Das wäre normalerweise auch richtig. Ich hab die Meldung aber zufällig gesehen und den Namen erkannt. Als es dann wirklich derselbe Jim Sharp war, wollte ich mir die Sache mal ansehen. Ich hab früher mit ihm zusammengearbeitet. Nicht oft. Verschiedene Abteilungen, aber wir haben uns ab und zu gesehen. Sergeant Collins hat gesagt, Sie finden es untypisch für ihn, einfach so abzutauchen, und soweit ich ihn kenne, bin ich da Ihrer Meinung.«
    McDade setzte sich Jasmine gegenüber und kritzelte in sein Notizbuch, während er sich von Jasmine die Einzelheiten erklären ließ. Jedes Mal, wenn er sie etwas fragte, und sei es noch so nebensächlich, starrte er sie so durchdringend an, dass sie sich fast schon dramatischere Details ausdenken wollte, weil sie Angst hatte, wegen Verschwendung von Beamtenzeit belangt zu werden. Sie konnte sich gut vorstellen, wie Verdächtige unter diesem Blick mürbe wurden. Sie fragte sich, wie viele Berufsjahre man dafür brauchte, und die Schauspielerin in ihr überlegte sich, wie schwer er wohl nachzuahmen war.
    Er zeigte überhaupt keine Reaktionen, nicht mal ein gelegentliches Nicken. Nur das bohrende, abwägende Starren. Diesen Mann könnte niemand einfach so anlügen.
    »Hilft Ihnen das irgendwie weiter?«, fragte sie mit einem ungewohnt starken Bedürfnis nach Bestätigung.
    Er verzog kaum merklich das Gesicht, und Jasmine wusste nicht, ob es daran lag, dass sie ihm nichts Verwertbares gesagt hatte, oder daran, dass das, was sie gesagt hatte, ihn Schlimmes ahnen ließ.
    »Ich habe den Eindruck, dass Sie nicht alles sagen, was Sie wissen«, sagte er, und Jasmine fühlte sich sofort erwischt. »Keine Angst, ich glaube nicht, dass Sie mich täuschen wollen. Aber in Fällen wie diesem gibt es oft Dinge, die die Leute lieber verschweigen, weil sie nicht blöd wirken wollen, sie für unwichtig halten oder niemanden unnötig belasten wollen. Aber sie erinnern sich meistens aus gutem Grund an diese Sachen. Fällt Ihnen vor diesem Hintergrund etwas ein, womit die Sache zusammenhängen könnte? Vielleicht irgendetwas, woran Jim gearbeitet hat, ganz egal was.«
    »Das frage ich mich schon den ganzen Morgen, aber bisher weiß ich keine Antwort. Die jüngsten Akten sind alle hier, wenn Sie sie sich mal ansehen wollen. Ihnen fallen zwielichtige Namen ja eher auf als mir. Ist aber alles ziemlicher Standardkram. Das Einzige, was mir aufgefallen ist, waren ein paar Vermisstenfälle, und auch die nur, weil sie mir neu waren. Ein großer wurde von einer Frau namens Anne Ramsay in Auftrag gegeben. Jim hatte mir Freitag freigegeben, und ich glaube, da hat er daran gearbeitet. Er meinte, die Sache sei etwas heikel. Ich weiß aber überhaupt nichts darüber.«

    McDade nickte wissend. Auch keine stärkere Reaktion als vorher.
    »Können Sie damit etwas anfangen?«
    »Damit kann jeder etwas anfangen, der alt genug ist. Sie sind wohl noch ein bisschen zu jung. Tragische Geschichte. Anne Ramsay ist seit ihrem vierten Lebensjahr

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