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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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Angelegenheit zu stecken, dann würde es genau das tun.

Höhere Gewalten
    »Was sieht man, wenn man bei dir zu Hause aus dem Fenster guckt?«, fragte Catherine.
    Sie parkten gegenüber dem Bay Tree Restaurant in Thornton Bridge, einem wohlhabenden Vorort im Südosten der Stadt, der sich hartnäckig an das Immobilienwerts-Zauberwort »Dorf« klammerte, obwohl genau diese Beliebtheit dort einen anhaltenden Bauboom herbeigeführt hatte. Wie Spinnenbeine streckten sich die Neubaugebiete aus allen Ein- und Ausfahrtsstraßen der winzigen, am River Clyde gelegenen Wohlstandssiedlung aus dem 19.   Jahrhundert; die neuesten Häuser standen mittlerweile näher an den Zentren der Nachbarorte, wurden aber trotzdem als Thornton-Bridge-Adressen verkauft.
    Catherine wusste noch, wie sie an Geburtstagen oder als Belohnung mit der Familie ins Bay Tree gegangen war. Der Abend nach dem ersten Jahr auf der Secondary School: Bei diesem unvergesslichen Besuch hatte ihr das Essen gleich doppelt so gut geschmeckt, weil sie es sich mit dem besten Zeugnis des Jahrgangs verdient hatte. Ihr Vater hatte betont, dass sie für ihre harte Arbeit belohnt wurde und nicht für den ersten Platz. Sie wusste, was er meinte, aber in Anbetracht der Konkurrenz lag er etwas daneben: Die Beste wäre sie auch ohne jeglichen Fleiß geworden. Ihr gewissenhafter Einsatz hatte nur den Abstand zu den anderen vergrößert. Andererseits hob man sich an einer Versagerfabrik wie der Caldeburn High schon damit von der Menge ab, dass man ein Schulbuch mal aufschlug, anstatt seinem Nachbarn damit eins überzuziehen.
    Das Restaurant hatte damals noch ganz anders ausgesehen: klein, gemütlich und wohl ziemlich kitschig, aber der Himmel auf Erden für ein Mädchen, das »Scampi in a Basket« und »Birne Helene« als raffinierteste Kochkunst betrachtete. Damals hatte das Haus einen ländlichen Charme ausgestrahlt, vor den drei kleinen Fenstern hingen geraffte Gardinen und dort arbeiteten scheinbar ausschließlich geschäftige Frauen mittleren Alters, die Catherine an die drei guten Feen in Disneys Dornröschen erinnerten.
    »So ziemlich das Gleiche, was man von gegenüber auch sehen würde«, antwortete Laura. »Einen Sandsteinaltbau, dessen Fenster Einblick in die vielfältigen Geschmacksrichtungen modernen Polstermöbeldesigns gewähren. Wenn ich mich in den Erker lehne und den Kopf ganz nach rechts drehe, kann ich geradeso ein Stück vom Queen’s Park sehen. Ein Genuss, der allerdings von den quietschgrünen Vorhängen in der Wohnung ganz hinten geschmälert wird, was? Warum fragst du?«
    Halb als Andeutung ihrer Antwort, halb damit Laura sie nicht grinsen sah, schaute Catherine wieder in Richtung des Bay Tree. Sie gewöhnte sich nur langsam an die Eigentümlichkeiten der jungen Frau, z.   B. ihren Edinburgher Akzent, in dem sie an jedem Satzende die Stimme hob wie bei einer Frage. Dieser Effekt wurde noch dadurch verstärkt, dass sie an viele Feststellungen ein »Was?« anhängte, als würde sie eine Bestätigung erwarten.
    Wenn sie darüber nachdachte, hatten die Glasgower eine ähnliche Angewohnheit und versicherten sich nach jedem zweiten Satz mit einem »Weißte?«, aber da Lauras Akzent Catherine noch etwas fremd war, wirkte diese Bitte um Zustimmung auf sie umso echter. Sie hatte sich nur noch nicht entschlossen, ob sie die Angewohnheit als Unsicherheit oder nur als Höflichkeit deuten sollte.
    Vielleicht war es aber doch nicht nur eine Frage der Gewohnheit. Mal davon abgesehen, dass das Glasgower »Weißte?« garantiert keine Aufforderung zum Widerspruch darstellte, erweckte Laura auch sonst stark den Eindruck, als würde sie sich die ganze Zeit entschuldigen. Vielleicht war das ganz normal, dachte Catherine. Neue Stadt, neue Truppe, neue Vorgesetzte. Sie würde wohl noch eine Zeit lang eher vorsichtig auftreten. Es passte nur alles nicht so recht zu den Berichten über die forsche, eigenwillige junge Frau Detective Inspector, die Catherine vor Lauras Ankunft gehört und gelesen hatte.
    »Ich frage nur, weil ich noch weiß, wie der Laden hier früher ausgesehen hat. Mir tun die Leute in den Doppelhäusern gegenüber leid. Früher hatten die ein schnuckeliges, kleines Häuschen vor dem Fenster, das eine Siebenjährige gemalt haben könnte. Jetzt ziehen sie die Jalousien hoch und zwanzig, dreißig Leute glotzen zurück, die sich den Wanst vollhauen.«
    Catherine sprach von der Modernisierung des Bay Tree fürs 21.   Jahrhundert, bei der das Gebäude um einen

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