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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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bevor es ihm überhaupt über die Lippen ging.
    Er drehte sich in Richtung Bar um, weniger ein Zeichen seiner Ungeduld, dass Fleeting endlich kommen sollte, als vielmehr eins dafür, dass er seinen Gästen nichts mehr zu sagen hatte, und es unhöflich wäre, sie einfach weiter anzustarren.
    Catherine fühlte sich weniger an irgendwelche Benimmregeln gebunden und nutzte die Gelegenheit dazu, Callahans Gesicht zu studieren, was er natürlich bemerken würde. Trotz seines Status und seiner Bekanntheit war sie ihm noch nie so nah gewesen. Sie hatte ihn bisher nur einmal gesehen, über zehn Jahre vorher, als er an einem Samstagabend durch das Gewusel einer Polizeiwache geführt wurde. Danach hatte die Wahrscheinlichkeit eines direkten Treffens abgenommen, weil sie sich hauptsächlich mit Morden beschäftigte, die andere für ihn erledigten.

    In der langen Stille erwischte Catherine sich bei dem Gedanken, ob sie Callahan unter anderen Umständen attraktiv gefunden hätte.
    Er war Anfang vierzig, sah gut – aber nicht jung – für sein Alter aus, seine Falten verrieten die Jahre, aber nicht unbedingt, wie er sie verbracht hatte, ganz anders als viele seiner Kollegen, denen quasi das Wort »Verbrecher« auf die Stirn tätowiert war. Wüsste sie es nicht besser, hielte sie ihn womöglich für einen erfolgreichen Geschäftsmann, vielleicht einen Mann mit eigener Firma, der trotzdem den Großteil seines Verdienstes mit eigenen Händen erwirtschaftete. Sie fragte sich, ob er unter anderen Gegebenheiten so jemand hätte werden können; ob sein brutaler Charakter von seiner Sozialisation herrührte, oder ob sein Charakter sich selbst seinen brutalen Weg gebahnt hatte.
    Er war schlank und braungebrannt, eine authentische Urlaubsbräune und kein Sonnenstudio-Orange, und er trug ein kurzärmliges, fliederfarbenes Hemd, das seiner Hautfarbe schmeichelte. Sein Haar war eine silbrige Mischung aus weiß und grau, hinten und an den Seiten sauber geschnitten und oben leicht gegelt, um es in Form zu halten. Der blonde Flaum auf seinen Armen schien ihr völlig fehl am Platz, weil sie ihn normalerweise mit den weichen, zerbrechlichen Ärmchen ihrer beiden Jungs verband. Er war klein; kleiner als sie auf jeden Fall. Sie bevorzugte Männer, die kleiner waren als sie, aber bei einem Meter achtzig, schränkte sie sich da nicht allzu sehr ein. Callahan war keine eins fünfundsiebzig groß. Komisch, wie oft die großen Männer der Glasgower Unterwelt in Wirklichkeit kleine Männer waren. Napoleon-Komplex. Giftzwerge und Terrier.
    Seine Klamotten waren teuer, aber dezent. Geschmackvoll. Nicht aufdringlich, aber flott. Bei dem Gedanken erwachte sie aus ihrem Tagtraum. Flotter Frankie. So hatten ihn früher alle genannt, aber nicht, weil er auf sein Äußeresachtete. Seine Unterweltkollegen hatten ihm diesen Beinamen gegeben, weil er sich in der einen Sekunde noch mit einem unterhielt und einen in der anderen schon ganz flott aufgeschlitzt hatte.
    Aus diesem Grund war er in seiner Ruhe weit bedrohlicher als Paddy Steel. Steel strahlte solche Energie aus, dass man atmosphärische Umschwünge leicht feststellen konnte. Wie viele schmerzvoll hatten feststellen müssen, war Callahan dagegen völlig undurchschaubar.
    Er lehnte sich ein wenig auf seinem Stuhl zurück, was Catherine als Zeichen las, dass Gary Fleeting sich dem Privatraum näherte. Callahan stand zwar nicht auf und ließ sie allein, doch er schien sich innerlich völlig aus dem Geschehen zurückzuziehen, als seine Nummer zwei kam.
    Während Frankie gelassen und emotionslos war, trat Fleeting großspurig und angriffslustig auf. Er wirkte ruhelos, sein Körper war immer in Bewegung. Er hielt nie länger als drei Sekunden still. Catherine wusste sofort, warum Lisa Bagan etwas mit Jai McDiarmid angefangen hatte, und warum sie es unbedingt hatte geheim halten wollen. Catherine erkannte Fleeting sofort als einen, der lieber prügeln statt vögeln würde, wenn er vor die Wahl gestellt wurde; als einen, der es geiler fand, herauszubekommen, dass ein anderer seine Freundin vögelte, als es selbst zu tun.
    »Gary, diese Damen sind vom CID .«
    Catherine wusste, dass Callahan keine Gelegenheit gehabt hatte, ihn vorzubereiten. Er hatte nur kurz mit der Bedienung sprechen können, die ihn holte. Sie wartete darauf, dass er ihren Besuch weiter erklärte, damit Fleeting Bescheid wusste; vielleicht ein kurzes, diskret nachdrückliches »die Damen sind wegen Jai McDiarmid hier«.
    Callahan aber schwieg.

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