Wer schlafende Hunde weckt
konzentriert und einen Finger am Abzug.
Es rummste, als der Angreifer die Beifahrertür des Audis hinter sich zuschlug, und die Reifen quietschten, als der Wagen Gas gab. Ingrams schoss weiter, zerstörte die Rückscheibe und bohrte ein paar Löcher in die Karosserie, während der Wagen davonraste wie ein aufgescheuchtes Kaninchen.
Insgesamt schoss er sechsmal, hielt die Waffe aber auf den Audi gerichtet, bis er hinter der nächsten Kurve in gut vierhundert Metern verschwunden war. Erst dann wagte Jasmine auszuatmen.
Als der Audi wegfuhr, hatte sie nicht gewollt, dass Ingrams weiterschoss, teils wegen des Schocks, der sie jedes Mal hochriss, teils, weil sie Angst hatte, er könnte die Reifen treffen. Sie wollte nicht, dass der Wagen anhielt, dass der Angreifer einen Grund hatte auszusteigen und zurückzuschießen, falls er noch eine Waffe dabeihatte.
Im Nachhinein wurde ihr klar, dass Ingrams so etwas nie beabsichtigt hatte, schließlich behielt er das fliehende Auto nur im Visier, ohne weiterzuschießen. Er hatte sie verjagt und wollte sie nicht in eine Schießerei verwickeln.
Ingrams senkte die Pistole und ging gelassen zu der Schrotflinte, die er am Abzugsbügel aufhob. Der Schaft warvon den Kugeln zertrümmert worden und hing krumm herab wie ein gebrochener Arm. Jasmine beobachtete das Ganze in erstarrter Ungläubigkeit, als wäre das kleine Rechteck des Rückspiegels in Wirklichkeit das Display eines Smartphones oder tragbaren DVD – Players, das Szenen zeigte, die nichts mit ihr zu tun hatten. Als sie sich wieder gefangen hatte, spürte sie einen stechenden, pulsierenden Schmerz, den die Angst vorher betäubt hatte.
Sie musste unbedingt aus dem Wagen. Obwohl die Gefahr zunächst gebannt war, wollte sie unbedingt dieser klapprigen Metallkiste entfliehen und die Füße auf den Boden stellen. Sie kletterte über den Fahrersitz und ließ sich ungeschickt auf die Straße rutschen.
Draußen war es heiß, wärmer als im lüftergekühlten Auto. Jasmine wurde ganz schwummrig, als sie in der unangenehmen Schwüle auf zwei Beinen stand. Aus irgendeinem Grund hatte sie erwartet, dass ihr draußen kalte Luft das Gesicht erfrischen würde wie Wasser, sie wieder klar denken und sich die Benommenheit abschütteln lassen würde. Sie stand immer noch unter Adrenalin, und die Ohren klangen ihr von Ingrams’ Schüssen. Sie spürte, wie die Tränen wieder flossen, aber zu ihrer Überraschung war sie gleichzeitig auch wütend und frustriert.
»Alles okay?«, fragte Ingrams, als er die Pistole sicherte und sich in den Hosenbund steckte.
Er beugte sich in den Kofferraum, klappte eine Kiste auf und legte die kaputte Schrotflinte vorsichtig hinein. Seine Frage hing in der Luft, denn Jasmine fand sie sehr schwierig und merkte, dass sie keine einfache Antwort wusste.
»Was heißt denn okay unter diesen Umständen?«, fragte sie mit schwacher Stimme.
»Dass Sie auf zwei Beinen stehen, ist schon mal ein gutes Zeichen«, erwiderte er.
Irgendetwas an der Antwort brachte sie zum Kochen, vulkanisch zum Brodeln, und diese Gefühle schockierten sie so sehr, dass sie erst nicht verstand, warum. Es war seine ruhige, sachliche Art, die nahelegte, dass so eine Situation nichts Neues für ihn war. Er hatte sie in diese Welt hineingezogen.
»Ich steh vielleicht auf zwei Beinen, aber okay bin ich deshalb noch lange nicht«, sagte sie mit einem Beben in der Stimme, das zu einem Drittel aus Schock, zu einem weiteren aus einem Rest Angst und zum dritten aus kochender Wut bestand. »Von Anfang an haben Sie immer nur um den heißen Brei rumgeredet, und jetzt haben Sie mich fast umgebracht«, setzte sie fort und gab sich alle Mühe, klar und deutlich zu sprechen. »Ich würde sagen, Sie sind mir ein paar Antworten schuldig. Sie sind dieser Glen Fallan, oder? Deshalb steht sonst nichts in der Akte.«
Er schüttelte ernst den Kopf.
»Ich heiße Tron Ingrams. Ich kann Ihnen meinen Pass zeigen, meine Entlassungspapiere von der Army, was Sie wollen.«
»Und wer zum Teufel ist Tron Ingrams? Im einen Augenblick tuckern Sie wie ein Rentner vor sich hin, im nächsten geben Sie den Stuntman. Dann kommen maskierte Typen und schießen auf Sie, und Sie haben natürlich selber auch Pistolen unter dem Auto versteckt.«
» Eine Pistole. Eine einzige«, korrigierte er.
»Das reicht ja wohl, oder? Normalen Menschen wenigstens. Eine Pistole ist mehr als genug.«
Sie redete wirr vor sich hin, aber mittlerweile war ihr völlig egal, was für einen Eindruck
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