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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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Spiel?«
    »Gewissermaßen. Megan war im Kindergarten – im gleichen wie Charlie. Wir wussten, dass einer der Vorteile ihres Schulanfangs war, dass wir den Kindergarten nicht mehr bezahlen mussten. Anne hatte schon oft davon geredet, dass sie einen Detektiv anstellen wollte, der den Fall neu aufrollte, weil die Polizei ziemlichen Mist gebaut hatte. Ich war dagegen, weil ich Angst hatte, dass man so nur die Wunde noch länger offen hält. Wer weiß, wie lange man jemanden bezahlen kann, der natürlich ein Eigeninteresse hat, die Ermittlungen solange wie möglich hinauszuzögern. Nichts für ungut.«
    »Schon in Ordnung. So läuft das bei uns aber nicht. Jim würde so was nie tun.«
    Jasmine bekam einen Schreck, als sie fast in der Vergangenheitsform gesprochen hätte und hoffte, dass die kleine Pause nicht aufgefallen war.
    »Ich weiß. Er wurde uns empfohlen. Anne hat in ihrer Kanzlei und in ein paar anderen herumgefragt. Wir beschlossen, ihn mit dem Geld anzuheuern, das wir vorher für Megans Kindergartenplatz ausgegeben hatten. Wir hatten abgemacht, dass wir ihm ein paar Wochen geben würden, aber nicht zu viel erwarten wollten. Es hatte etwas Symbolisches: Wir bezahlten jemanden, damit wir uns keine Sorgen mehr machen mussten und eine Zeit lang unsere Ruhe hatten.«
    »Aber dann hat Jim Anne berichtet, dass er diese Woche Neuigkeiten für sie hatte.«
    Neil nickte stoisch. Diese Entwicklung hatte offensichtlich eine ganz neue Welle der Schmerzen und Frustrationen ausgelöst – alles verschlimmert, was es hatte lindern sollen.
    »Anne hatte gesagt, sie hätte keine großen Erwartungen, aber Hoffnungen sind etwas ganz anderes. Sie glaubt schon seit Langem nicht mehr an Wunder, aber sie sucht schon ihr ganzes Leben nach etwas, was ihrer Seele Frieden verschafft. Sie ist sogar vor ein paar Jahren, kurz nach Megans Geburt, mal zu diesem Bain gefahren. Als Mutter war sie ganz neuen Gefühlen ausgesetzt. Ich weiß nicht, was sie sich von ihm erwartet hat, aber irgendwie war es ihr wichtig, mit dem letzten Menschen zu reden, der ihre Familie gesehen hat.
    Ich bin mit ihr hingefahren. Es war schrecklich. Fürchterlich peinlich. Der Typ konnte ihr überhaupt nichts erzählen, aber wenigstens war er damit ehrlich. Ganz anders als die Hellseher: Von denen kamen im Laufe der Jahre eine Menge angeschissen. Die sind wirklich der letzte Abschaum. Sie müssen meine Lage verstehen. Ich weiß, dass Anne immer noch auf der Suche ist, aber ich muss sie vor Leuten beschützen, die sie ausnutzen wollen.«
    Als Jasmine mit der Box unter dem Arm wieder den kurzen Gartenweg hinunterging, war sie froh, wieder draußen zu sein. Von außen sah es wie ein perfektes Zuhause mit einer perfekten Familie aus, aber drinnen herrschte eine bedrückende Atmosphäre, als wären Anne und Neil Märchenfiguren, die von einem bösen Zauber in ewigem Stillstand gehaltenwurden. Um sie herum lief die Zeit weiter, aber sie konnten der Vergangenheit nicht entkommen.
    Sie dachte an ihre eigene Mutter, und zum ersten Mal vermisste sie sie nicht nur, sondern war dankbar, dass sie ihre Begleitung, ihre Liebe zwanzig Jahre lang hatte genießen dürfen. Außerdem war sie dankbar, dass sie Zeit zum Trauern gehabt hatte, und sie erkannte, wie wichtig die Gewissheit war, dass ihre Mutter tot war.
    Als sie in den Wagen stieg, hielt Ingrams einen kleinen, quadratischen Zettel von einem Notizblock hoch.
    »Der hat in der Hülle mit dem »Zwanzig Jahre später«-Artikel von 2003 gesteckt. William Bains Kontaktdaten.«
    Jasmine wusste nicht, was das zur Sache tat.
    »Ja. Anne Ramsay ist mal zu ihm gefahren. Er konnte ihr aber nichts sagen. Was ist denn damit?«
    »Seine private Telefonnummer steht auf Ihrer Liste.«
    Ingrams zeigte auf den Rücksitz, wo sie die Abschrift der ein- und ausgegangenen Anrufe des Bürotelefons liegen lassen hatte.
    »Jim hat wohl vor Kurzem mit ihm gesprochen«, sagte er.
    »Ist wohl der Vollständigkeit halber der ursprünglichen Ermittlung nachgegangen. Bain weiß ja nicht plötzlich siebenundzwanzig Jahre später irgendetwas Neues.«
    »Trotzdem hat Jim gesagt, er hätte Neuigkeiten. Rufen Sie ihn an. Sie sind Reporterin und wollen ein Interview ausmachen.«
    Jasmine zückte ihr Handy und wählte.
    »Sagen Sie aber nicht Ihren echten Namen«, fügte Ingrams hinzu, als es schon klingelte.
    »Wieso nicht?«
    »Weil er Sharp lautet.«
    »Äh, ach ja«, verstand sie.
    Für große Verlegenheit hatte sie keine Zeit, weil schon eineraue, ältere

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