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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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einen Bissen gegessen und Jasmine einen Notizblock und ein paar Stifte als Reporter-Requisiten gekauft. Beim Essen gab Ingrams ihr ein paar Tipps, was für Fragen sie stellen sollte, wonach er mit ihr in ein Herrenmodegeschäft ging und sich eine schwarze Schirmmütze kaufte.
    Die hatte er sich tief ins Gesicht gezogen, bevor sie bei Bain aus dem Auto gestiegen waren. Jasmine hatte ihn gefragt, warum er meinte, dass er als Fotograf so herumlaufen müsse, aber keine Antwort bekommen.
    Ingrams hatte das Essen bezahlt, wie er schon das Hotel bezahlt und das Geld für Bain vorgestreckt hatte. Sie war für das Geld ebenso dankbar wie für die Hilfe von jemandem, der anscheinend wusste, was er tat, aber Angst machte ihr neben der Tatsache, dass sie bei einem Fremden verschuldet war, die, dass sie immer noch nicht wusste, was er von der ganzen Sache hatte. Er hatte gesagt, dass er wissen wolle, was er mit der ganzen Sache zu tun hatte, zumal dazu jetzt Tod, versuchter Mord und versuchte Beweisvernichtung gehörten. Andererseits hatte er auch versichert, dass er nur eine Nebenrolle spielte, und dass der Angriff in Northumberland Jasmine gegolten hatte. Soweit sie das beurteilen konnte, ging diese Gleichung nicht auf. Eine Variable fehlte.
    Die Bains wohnten in einer Doppelhaushälfte aus einem Sozialbauprojekt der 50er-Jahre. Eins von den Häusern, die von außen winzig aussahen, aber drinnen überraschend geräumig sein konnten. In diesem Fall war der Effekt aber umgekehrt, weil drinnen alles vollgestellt war. Auf keiner Oberfläche war freier Platz, auf jedem flachen Gegenstand lag ein kleinerer. Zeitschriftenstöße dienten als Unterlage für DVD – Stapel und in manchen dunkleren Ecken sogar Videokassetten. An Wänden und unter Tischen griffen sonnengebleichte Pappkartons versetzt ineinander wie Ziegel einer Mauer. Hier wohnte ganz klar jemand, der nie etwas wegwarf und, wie am Geldumschlag in Ingrams Hand zu sehen war, auch nie etwas verschenkte.

    Es roch nach Pommes; kein verlockendes Essigaroma, sondern drückender Fritteusengeruch. Jasmine wünschte, sie hätte nicht gegessen.
    Bain saß in einem Sessel vor einem unverhältnismäßig großen Fernseher, auf dem Sky Sports News lief. Bei ihrer Ankunft drehte er den Ton leiser, schaltete aber nicht ab. Er sah wie Anfang sechzig aus, war aber möglicherweise jünger, denn er war offensichtlich kein langfristiger Men’s-Health – Abonnent. Er war dicker als auf den Fotos, und seine Hängebacken deuteten das Ausmaß seiner Altherren-Verfettung nur an. Jasmine ließ den Blick über die Wände wandern und sah ein paar Fotos zwischen den Müllbergen. Keine Kinder. Nur er und seine Frau. Anscheinend wohnten sie schon seit Jahrzehnten hier.
    »Das Geld dabei?«, fragte er.
    Ingrams drückte Jasmine den Umschlag in die Hand, bevor er die Sporttasche öffnete und das Stativ vorbereitete. Bain schaute ihn kaum an. Er zählte das Geld und legte den Umschlag auf einen Beistelltisch, oder genauer gesagt auf eine gefaltete Zeitung auf einem ketchupverschmierten Teller auf einem Beistelltisch.
    »Legen Sie los«, sagte er.
    »Haben Sie was dagegen, wenn ich einfach drauflosknipse, während Sie reden?«, fragte Ingrams jetzt wieder in seinem seltsamen, gekünstelten Akzent.
    Bain winkte gleichgültig mit der rechten Hand seine Einwilligung.
    »Ich hab alle Artikel gelesen«, fing Jasmine an. »Und Sie haben die Geschichte natürlich schon oft erzählt, also setze ich das alles mal voraus und möchte die Sache aus einem anderen Blickwinkel betrachten.«
    »Suchen Sie sich den Winkel aus, junge Frau. Das ändert nichts an den Fakten.«
    »Wohin sind Sie damals selbst gefahren?«

    »Zum Angeln. Ich kenn da ’ne gute Ecke in Galloway.«
    »Was gefangen?«
    »Weiß nicht mehr. Hab ich ehrlich gesagt noch nie drüber nachgedacht. Wissen Sie, wenn man hundertmal nach der einen Sache an dem Tag gefragt wird, vergisst man so ziemlich alles andere.«
    »Warum haben Sie an der Raststätte gehalten?«
    »Zum Tanken, und dann bin ich noch mal in dem kleinen Café pinkeln gegangen. Auf dem Rückweg zum Auto hab ich die dann mit ihrem Tragebett gesehen.«
    »Wie haben sie gewirkt? Ruhig, aufgeregt?«
    »Abweisend«, erwiderte er. »Sie wissen schon, beschäftigt.«
    »Und dann haben Sie ihnen Ihre Hilfe dabei angeboten, das Bett ins Auto zu bekommen.«
    »Genau. Damit hatten die ziemliche Schwierigkeiten. Hab nur gefragt, ob sie klarkommen, aber die wollten nicht. Hab erst nicht weiter drüber

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