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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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nachgedacht. Mit kleinen Kindern sind die Leute schnell mal gestresst. Das darf man keinem übelnehmen.«
    »Haben Sie eine schwache Blase?«, fragte Ingrams, während er Bain durch die Kamera betrachtete.
    »Was hat das denn damit zu tun?«, fragte Bain.
    »Von hier zur Raststätte Bothwell sind es vielleicht zwanzig Minuten. Frag mich nur, warum Sie so schnell schon mussten.«
    »Keine Ahnung. Hab’s wohl einfach vor der Abfahrt vergessen«, erwiderte Bain und warf ihm einen bösen Blick zu.
    Auch Jasmine wurde sauer auf ihn. Wenn er Bain wütend machte, hatten sie doch nichts davon.
    »Warum, glauben Sie, haben Sie sich den Vorfall gemerkt?«, fragte sie. »Bevor der Fall in die Zeitungen kam, dauerte es ja ein paar Tage.«
    »Keine Ahnung. Hatte es ein paar Kilometer weiter eigentlich schon vergessen. Dann les ich die Sache in der Zeitung,und da war’s wieder, taghell. Deshalb rekonstruiert die Polizei solche Sachen doch, oder?«
    Ingrams kam mit der Kamera etwas näher und bat Bain aufzustehen und für ein paar Aufnahmen aus dem Fenster zu schauen.
    »Wir hätten gerne ein paar etwas interessantere Aufnahmen, wissen Sie? Quasi der Blick in die Vergangenheit. Wenn wir Sie immer nur so bis zu den Schultern haben, sehen Sie ja aus wie ein Verbrecher.«
    Bain lachte ein bisschen verunsichert, posierte dann aber wie verlangt.
    »Ist das Ihr Wagen, der Astra?«, fragte Ingrams und zeigte auf das silberne Auto vor dem Haus.
    »Nein, der gehört den Nachbarn. Margaret ist mit unserem los.«
    »Unserer ist der Civic.«
    Bain setzte sich wieder und Ingrams schraubte die Kamera aufs Stativ.
    Jasmine wollte gerade weiter Fragen stellen, als Ingrams ihr zuvorkam.
    »Sie haben bei der Polizei ausgesagt, dass die beiden einen grünen Audi 80 mit A-Nummernschild fuhren, und dass das Tragebett lila war. Ist das richtig?«
    »Ja. War ’n schönes Auto damals, der Audi 80.« Er lächelte Jasmine wissend an, weil er sie als Gesprächspartnerin vorzog. »Nicht ganz so toll wie der Quattro aus der Serie mit dem Mädchen, das in der Zeit zurückreist, aber trotzdem schön.«
    »Was für ein Nummernschild hat der Astra Ihrer Nachbarn?«, fragte Ingrams.
    Bain rutschte in seinem Sessel hin und her. Er drehte den Kopf, aber das Fenster war direkt hinter ihm, und er saß viel zu tief.
    »Das heißt wohl, Sie wissen es nicht. Versuchen wir’s mit einer einfacheren Frage: Welche Farbe hat unser Civic?«

    Bain grübelte einen Augenblick und riet dann blau.
    »Rot war’s. Sie haben das Auto vor zwei Minuten gesehen und wissen es schon nicht mehr. Wie wollen Sie sich dann an die Farbe des Tragebetts erinnert haben, das sie mehrere Tage vorher kurz gesehen hatten?«
    Bain kochte, und Jasmine fürchtete, er würde sie aus dem Haus werfen. Stattdessen seufzte er und beruhigte sich scheinbar wieder.
    »Ich konnte mich an die Farbe erinnern, weil sie mich an einen Puppenwagen meiner kleinen Schwester erinnert hat«, sagte er und starrte Ingrams wütend an. »Und vor siebenundzwanzig Jahren war mein Gedächtnis auch noch ein bisschen besser als jetzt, okay? Und jetzt knipsen Sie lieber mal Ihre Fotos und lassen das Mädchen ihre Arbeit machen!«
    Jasmine hielt einen Moment inne, bis die Spannung sich gelegt hatte. Sie warf Ingrams einen fragenden Blick zu, aber wie Bain sah sie nichts als Objektiv und Mütze. Sie sah sich ihre relativ neutrale, wenig provokante Fragenliste an, die hauptsächlich aus seinen Vorschlägen bestand, und fragte sich, was er vorhatte. Dann verstand sie, dass er ein Skript geschrieben und ihr absichtlich nur ihre Zeilen gegeben hatte.
    Sie lächelte Bain warm an und machte weiter. Jetzt, wo sie ihre Rolle verstanden hatte, gab sie alles.
    »Warum haben Sie sich gemeldet?«, fragte sie. »Ich meine, viele Leute hätten wohl einfach gesagt, sie haben nichts mit der Sache zu tun oder hätten sich eingeredet, dass sie doch nicht das gesehen haben, was sie erst glaubten.«
    »Aus Pflichtgefühl, würd ich sagen. Ich hab von dem armen, kleinen Mädchen gelesen, das zurückgelassen wurde, und, na ja, jeder muss seinen Teil leisten, oder? Die meisten gucken heutzutage weg. Das ist doch das Problem in unserem Land.«
    Bain lehnte sich vor und erhob den Zeigefinger.
    »Hören Sie, damit das klar ist, das ist das allererste Mal,dass ich deswegen Geld verlange. Ich hab mich nie an die Zeitungen gewandt – die sind immer zu mir gekommen.«
    Er verschränkte die Arme und lehnte sich zufrieden wieder zurück.
    Ingrams schnaubte

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