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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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mich seit zwanzig Jahren niemand mehr genannt.«
    »Und würden Sie mich vielleicht aufklären, was diese Erleuchtung herbeigeführt hat?«
    »Das ist gerade nicht relevant. Viel wichtiger ist, dass wir jetzt wissen, dass Bains Aussage gelogen war. Das ändert alles. Die Ramsays sind zum letzten Mal gesehen worden, als sie am Abend vorher das Campsieview Hotel in Lennoxtown verließen.«
    »Warum sollte die Polizei ihre eigene Ermittlung verfälschen?«
    » Ein Polizist hat Informationen manipuliert. Und wenn Sie meinen verstorbenen Vater kennen würden, wüssten Sie, dass er es nicht unbedingt von innen gemacht hat.«
    »Also wollte Bain Sie nicht nur reizen? Ihr Vater war wirklich ein korrupter Polizist?«
    »Sagen wir mal, seine korrupte Seite war noch seine beste.«
    Jasmine sah kurz sein Gesicht, während er das sagte und sie an einer Ampel anhielt. Es verriet keinen Sarkasmus, sondern nur stählerne Bitterkeit.
    »Wichtig ist«, setzte er fort, »dass mein Vater wusste, was für Auswirkungen Bains Aussage auf die Ermittlungen haben würde. Sie brachte den ganzen zeitlichen Ablauf durcheinander, und das Bewegungsbild erst recht.«

    »Meinen Sie, Jim hatte das auch herausbekommen?«
    Als alle Karten auf dem Tisch lagen, hatten sie Bain zu Jims Ermittlung ausgefragt. Bain gab zu, dass Jim bei ihm gewesen war, er selbst sei aber bei seiner Version geblieben.
    »Natürlich ist Bain vor Jim nicht zusammengebrochen wie vor mir, aber wenn Jim die Ermittlung bis ins kleinste Detail vorangetrieben hat, ist ihm sicher klargeworden, wie viel von Bains Aussage abhing. Sie hat den ganzen Fall geprägt und ist letzten Endes für diesen ganzen Mythos verantwortlich. Bei einer letzten Sichtung spätabends am Hotel sagen alle, na ja, die armen Schweine liegen eben irgendwo tot im Straßengraben oder sind in irgendeinem Kanal abgesoffen. Bei der letzten Sichtung am helllichten Tag an einer Raststätte denken alle an eine Reise. All die Artikel, die die Story über die Jahre am Leben gehalten haben, die Leute, die den Zeitungen sagen, sie haben die Ramsays im Urlaub gesehen, all das geht auf Bains Lüge zurück.«
    »Das heißt, Jim hat sich wahrscheinlich irgendwann gefragt, wie das Ganze ohne die Aussage aussähe. Warum hat die Polizei das nie getan?«
    »Wahrscheinlich, weil sie sonst keine Spuren hatten und keine Gründe, an Bains Aussage zu zweifeln.«
    »Aber Sie wussten es sofort, als sie sein Bild in der Zeitung erkannt haben.«
    »Ich hab’s nicht sofort gewusst. Ich hatte nur meine Zweifel, die auf einer detaillierteren Kenntnis von Mr   Bains Charakter beruhten, als sie die Ermittler von damals wohl hatten.«
    »Warum haben Sie mir nichts gesagt?«
    »Ich wollte unser kleines Interview nicht allzu voreingenommen werden lassen, und ich brauchte von Ihnen etwas, was man Method Acting nennt, damit er nichts merkt.«
    »Ich weiß, was Method Acting ist. Ich kenn mich mit Schauspielerei viel besser aus als mit Privatermittlungen.«
    »Sie sind ausgebildete Schauspielerin?«

    Darüber freute er sich sichtlich – unverhülltes Entzücken war in seinem Gesicht zu erkennen. Jasmine wünschte, sie könnte sich genauer ansehen, ob er sich vielleicht nur lustig machte und sich dachte, »tja, das erklärt so einiges«, aber sie musste die Straße im Blick behalten.
    »Ich möchte nicht darüber reden. Wie Sie sagen, wir müssen uns konzentrieren.«
    »Richtig«, stimmte er zu. »Und was Sie eben gesagt haben, stimmt auch: Mein Vater hätte leicht einen deutlich vertrauenswürdigeren Zeugen finden können als Wullie Bain.«
    »Vielleicht hatte Bain andere Qualitäten, die ihn für den Job prädestinierten«, sagte Jasmine.
    »Klar. Er kannte seinen Platz und war nicht zu neugierig. Wullie hat nie viele Fragen gestellt, wenn man ihm Geld in die Hand gedrückt hat.«
    »Kannten Sie ihn damals gut?«
    Er starrte geradeaus und hatte wohl ebenso wenig Lust darüber zu erzählen wie sie über ihre abgebrochene Schauspielausbildung. Dann atmete er durch und antwortete.
    »Ich hab damals als Schuldeneintreiber für einen Gangster namens Tony McGill angefangen. Ich sage Gangster, aber eigentlich hatte Tony nie eine echte Gang. Meiner Erfahrung nach war die organisierte Kriminalität in Glasgow nie so richtig organisiert. Aber wenn man Tonys Interessen vertrat, traf man eine Menge Leute, knüpfte Kontakte. Das war wie Facebook für Verbrecher. Und ich vergesse nie ein Gesicht.«
    Den letzten Satz sprach er nicht stolz oder bedrohlich,

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