Wer schlafende Hunde weckt
zu überstürzen.«
Aber so etwas musste er ja sagen, nachdem die Geschehnisse ihn ins Stolpern gebracht hatten. Irgendetwas war nicht so, wie es aussah? Wahrscheinlich stand es nur nicht in Abercorns Skript, und er wollte sie hinhalten, bis er die richtige Seite wiedergefunden hatte.
Er hatte ihr gesagt, sie müssten dringend miteinander sprechen, und sie »aus Diskretionsgründen« in sein Büro bestellt, was sich einfach zu verlockend nach Intrige anhörte. Wäre sie nicht ein paar Tage zuvor im High Court gewesen, hätte er es vergessen können, aber da sie wusste, dass Abercorn sich für Callahan eingesetzt hatte, spielte sie mal mit, weil sie davon ausging, dass sie ausnahmsweise mehr von dem Gespräch haben würde als er.
Sie freute sich zunächst diebisch darüber, dass sein Büro kleiner war als ihres, doch dann fiel ihr auf, dass das wohl nur so schien, weil es völlig zugestellt war.
Sie war fast ein bisschen enttäuscht. Abercorn kam ihr so aalglatt vor, dass sie sich sein Büro als zwanghaft aufgeräumt vorgestellt hatte: keine Büroklammer am falschen Ort, keineinziges loses Blatt auf dem Schreibtisch, nur ein topmoderner Laptop auf dem Tisch und daneben ein gerahmtes Foto von Frau und Kindern, die nicht seine waren, sondern ihm nur einen menschlichen Touch geben sollten.
»Ich überstürze gar nichts«, erwiderte sie. »Zumal meine Hauptverdächtigen im Mordfall McDiarmid zur Zeit unten in Cal O’Sheas Labor auf Eis liegen.« Sie rümpfte angewidert die Nase, als sie merkte, dass ihr Jackett schrecklich nach Grill roch. »Übrigens genau die Verdächtigen, von denen Sie mich zu Anfang meiner Ermittlung hatten fernhalten wollen.«
Das ignorierte Abercorn und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ein Verbrecherfoto zwischen den Aktenstapeln auf seinem Tisch. Daran angeheftet war ein schwarz-weißer Computerausdruck einer Sicherheitskamera-Aufnahme des gestrigen Einbruchs.
»Diese Aufnahme des Coruscate-Räubers haben wir herumgezeigt«, erklärte er. »Er wurde als Liam Whitaker identifiziert. Dieb, Einbrecher, Exknacki und vor allem enger Vertrauter von Tommy Miller.«
»Haben wir ihn schon?«
»Er ist untergetaucht.«
»Mit Schmuck für hundertvierzigtausend Pfund. Kein Wunder.«
»Kein Schmuck«, korrigierte Abercorn. »Uhren.«
»Wo ist der Unterschied?«
»Solche Luxusuhren sind bei den oberen Zehntausend der Unterwelt sehr beliebt.«
»Wenn schon protzen, dann richtig.«
»Nein, keiner von denen trägt so etwas wirklich. Viel zu teuer. Die Uhren behalten ihren Wert; teilweise steigt er sogar. Das sind Investitionen. Geldwäsche. Dann hat man seine zweihunderttausend Pfund nicht in bar zu Hause herumliegen, die nur darauf warten, vom Staat einkassiert zu werden, sondern in Form von Uhren zu zehn- bis zwanzigtausend dasStück. Sammlerstücke. Und wenn man sein Kapital liquidieren will, verkauft man sie eben ganz legal.«
»Das ist doch alles nichts Neues. Mir war schon klar, dass Cairns’ Kontakt die Räumung ausgenutzt hat. Aber immerhin wissen wir jetzt ungefähr, wie viel er dabei verdient hat.«
»Er war nicht nur Cairns’ Kontakt«, gestand Abercorn halblaut. »Darum geht’s mir. Unser Kontakt war er auch. Einer unserer V-Leute. Wir haben unauffällig Callahans Gang im Auge behalten, aber wir wussten nicht, dass Miller seine Informationen an mehrere Stellen weitergegeben hat. Das gibt dem Ausdruck Verbindungs mann eine ganz neue Bedeutung.«
Catherine riss unwillkürlich die Augen auf, wollte sich aber nicht zu offener Schadenfreude hinreißen lassen.
»Und er wusste, dass er sich das leisten konnte, weil er kapiert hatte, dass Sie nicht reagieren würden«, sagte Catherine. »Zumindest nicht direkt.«
»So kann man es wohl auch sehen, ja. Wir haben es erst heute erfahren, und Cairns weiß es selbst noch nicht.«
»Haben Sie deshalb dafür gesorgt, dass Fleetings Anklage fallen gelassen wurde?«
Abercorn öffnete den Mund, fand aber eine halbe Sekunde keine Worte. Er war beunruhigt, dass sie das wusste. Er sammelte sich aber schnell wieder.
»Wir müssen oft unangenehme Entscheidungen treffen und ein paar sehr bittere Pillen schlucken. Ich weiß, was man über uns, über mich sagt. Laufenlassen organisierter Krimineller unter speziellen Tauschgeschäften. Männer wie Cairns sind die großen Helden, weil sie ein paar Moskitos totschlagen. Wenn man den ganzen Sumpf trockenlegen will, kostet das eine Menge harte Arbeit, für die man nicht solchen Beifall hört.«
Da war ja
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